Aschenwelt
Nur weià ich nicht, ob ich überhaupt in den Himmel dürfte, sollte es tatsächlich so was geben.«
»Na klar kommst du mal in den Himmel.«
»Naja, mir fällt da so einiges ein, was dagegen spräche.«
»Hallo?« Anne machte groÃe Augen. »Du gehörst auf jeden Fall zu den Guten! Jetzt hör schon auf mit dem deprimierenden Gerede. Wolltest du mir nich den Dachboden zeigen? Wenn du das nämlich nicht sofort tust, fall ich noch hier im Treppenhaus über dich her!«
»Hast recht.« Ich führte sie weiter die knarrenden Stufen hinauf, vorbei an meinen Vorfahren, bis endlich keine Bilder mehr an der Wand hingen und wir vor der schwarzen Holztür standen, die den Dachboden vom Treppenhaus trennte.
»Als ich das letzte Mal hier war, hab ich nach meinem alten Stoffhasen gesucht«, sagte ich.
»Warum?«
»Weil Uschasnik gemeint hat, ich soll nach meinem Lieblingsspielzeug suchen, das ich als Kind hatte.«
»Und?«
»Er war nicht da.«
»Schade.«
»Ja. Sehr schade. Jeder Scheià war da, nur mein Stoffhase nicht.«
»Und wo könnte er sonst sein?«
»Wahrscheinlich nirgends. Meine Mutter ist überzeugt, ich hätte ihn schon vor Jahren verloren. Und sehr wahrscheinlich stimmt das auch. Wenigstens erinnere ich mich dunkel daran.«
»Naja«, sagte Anne. »Jetzt hast ja mich.« Sie grinste. »Ich bin gerne dein neues Stoffhasi. Hi hi.« Sie wurde ein wenig rot. Und ich küsste sie auf ihren warmen Mund, saugte mich an ihrer Unterlippe fest. Das gefiel ihr.
»Gehn wir nicht rein?« Anne atmete heftig.
»Doch, doch.« Mir war ganz schwindelig.
»Warum wollte der Uschasnik eigentlich, dassde nach deinem alten Spielzeug suchst?«
»Keine Ahnung. Um die Vergangenheit besser zu bewältigen, hat er gesagt.«
»Was gibtâs denn da zu bewältigen?«
»Eben!«
Ich schloss auf, drückte die Klinke tief hinab und stieà die Tür auf. Dahinter erschien mein altes Kinderparadies.
»Voilà «, sagte ich.
»Wow. Cool!«, stieà Anne hervor. »Das ist ja hier oben gröÃer als die Wohnung, wo ich mit meiner Mum wohn.«
»Ja, unfair, wie so vieles auf dieser Welt«, sagte ich. »Aber wenn ich das alles hier erbe, wirst du bei mir wohnen, und deine Mum bei uns.«
»Du bist sooo süÃ!« Sie küsste mich wieder auf den Mund und mir wurde wieder schwindelig. Ich zog Anne mit mir in den Dachboden und die Tür hinter uns zu. Mit einem trockenen Klacken fiel sie ins Schloss und ein wenig Staub rieselte von der Decke. Er schwebte durch einen Sonnenstrahl, der durch ein kleines Dachfenster schien, und glitzerte wie Sterne. Starr standen die Ãberbleibsel meiner Vorfahren hier oben, dick mit Staub zugedeckt, wie stumme Wächter der Zeit, oder wie traurige und vergessene Hinterlassenschaften von Menschen, die lange nicht mehr waren. Ich glaube, ich war die Einzige, die ihnen noch einen kleinen Daseinssinn verlieh.
Ein altes Bett stand da. Aus verrostetem Eisengestänge und einer staubigen Matratze, wo an einer Ecke eine Eisenfeder herausragte.
Anne lieà sich mit dem Rücken voraus auf die Matratze fallen. Und ich hatte Angst, dass eine der Eisenfedern sie aufspieÃte. Der Staub wirbelte auf und hüllte sie wie eine Wolke ein. Sie breitete ihre Arme aus und forderte mich auf, zu ihr zu kommen.
»Hier?«, fragte ich.
»Hier«, sagte sie.
Ich warf mich auf sie und küsste sie lange und heftig. Es staubte um uns herum, wir rissen uns die Kleider vom Leib, rieben uns mit dem Staub ein, lachten und kicherten und hielten immer wieder kurz inne, wenn das eiserne Gestänge des Bettes allzu sehr quietschte und wir Angst hatten, dass es unter uns zusammenkrachte. Aber es hielt durch, sogar als wir es als Trampolin nutzten und nackt darauf herumsprangen und uns in der Luft küssten, gerade das, was wir voneinander erhaschen konnten.
Als wir uns schlieÃlich erschöpft und verschwitzt in den Armen lagen, sagte Anne, dass sie Lust hätte, wieder etwas zu rauchen. Ich hatte nicht nur groÃe Lust dazu, sondern ein unbändiges Verlangen danach. Das Liebesspiel mit Anne hatte mich davon abgelenkt, dass es mir schon geraume Zeit ziemlich schlecht ging. Die Enttäuschung war groÃ, als ich bemerkte, dass mein Päckchen leer war, nur noch Staubkrümelchen gab es her. Wir hatten alles aufgeraucht, an einem einzigen Tag,
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