Aschenwelt
offenem Mund um und ruft dann plötzlich: »Au ScheiÃe!« Sie zeigt mit ausgestrecktem Arm auf den weiten Platz in unserem Rücken.
In der anderen Welt vergnügen sich dort an viel zu vielen Wochen im Jahr die Stadtbewohner in Karussells, Riesenrädern und anderem Krimskrams und schlagen sich mit fettigen Würsten die Bäuche voll. Heute liegt der Platz leer vor uns, von einer dünnen Ascheschicht überzogen. Aber das stimmt nicht ganz. Ungefähr in der Mitte drängt sich eine kleine Gruppe zerlumpter Gestalten. Sie eilen über den Platz und werden dabei von kleinen schwarzen Rauchwirbeln verfolgt, die immer näher heranrücken und versuchen, sie einzukreisen.
»Wir müssen ihnen helfen!« Ich renne den Hügel hinab in Richtung der Bedrängten. Ich fühle mich stark und unbesiegbar.
Anne und ich vernichteten an jenem Tag mehr Teufel als wir zählen konnten. Mit der neuen Droge war dies ganz leicht. Ein geiles Gefühl. Doch viel zu schnell war alles wieder vorbei. Wie immer bei den Steinchen.
Nach dem Rausch fühlte sich meine Zunge an, als wäre sie um ein Vielfaches angeschwollen und füllte nun meinen Mund bis in den hintersten Winkel. Ich hätte ein Schwimmbad austrinken können, so ausgetrocknet war ich.
Dem schufen wir Abhilfe, indem wir die nächstgelegene Imbissbude nahezu leerkauften, leeraÃen und leertranken. Ich war geneigt, uns noch ein Pfeifchen anzustecken, doch Anne wollte mit mir nach Hause, auf mein Zimmer. Sie war nicht davon abzubringen.
Als wir in der Villa meiner Eltern angelangt waren, schloss ich so leise wie möglich die Haustür auf und schlich mich mit Anne die knarrenden Treppenstufen hinauf in mein Zimmer. Völlig umsonst, wie sich herausstellte. Meine Eltern waren gar nicht da.
In meinem Zimmer warf sich Anne auf mich und küsste mich fest und lange auf den Mund. Doch ich fühlte mich zu aufgekratzt und zu hibbelig, um mich ganz fallen zu lassen. Auf dem Nachhauseweg war mir eingefallen, was ich schon lange einmal hätte tun sollen. Ich wollte Anne unseren Dachboden zeigen, mein altes Abenteuerparadies. Widerwillig stimmte Anne zu und lieà sich von mir auf den Dachboden führen. Ich konnte es kaum erwarten, ihr meine alte staubige Welt zu zeigen, und schimpfte mit ihr, dass sie mir ständig in den Po zwickte.
»Was sinân das für Nasen da?«, fragte sie auf halbem Weg die Treppenstufen hinauf.
»Meine Vorfahren.«
»Sehn gruslig aus.«
»Waren sie bestimmt auch«, sagte ich. »Bis auf die da.« Ich zeigte ihr das Gemälde meiner GroÃmutter, die vergangenes Jahr gestorben war.
»Deine Oma«, stellte Anne fest. »Die war echt lustig.«
»Ja«, sagte ich. »Anders als die anderen.« Ich betrachtete die schelmischen Augen meiner GroÃmutter, die ihr Leben lang immer neuen Schabernack ausgeheckt hatten. Der Maler hatte sie sehr gut getroffen, auch wenn ich fand, dass sie in Wirklichkeit noch viel schöner war. Eine Dame von Welt. Aber trotzdem verkörperte sie das Gegenteil der SpieÃigkeit ihrer Umgebung.
»Ich vermisse sie«, sagte ich.
»Sie sitzt bestimmt im Himmel und passt von dort auf dich auf«, sagte Anne.
»Wenn es so was überhaupt gibt.«
»Ganz sicher gibtâs das!« Anne war empört, dass ich daran zweifelte.
Ich seufzte. »Ist es dann nicht unfair, dass immer die Falschen gehen müssen?«, sagte ich. »Ich mein, es gibt so viele Deppen auf der Welt, die kein Mensch braucht. Die können gerne gehen.«
»Das ist aber gemein«, sagte Anne. »Jeder hat das gleiche Recht, auf dieser Welt zu sein.«
»Find ich nicht«, sagte ich. »Manche haben ein gröÃeres Recht darauf. Manchmal glaube ich, dass es nur für eine begrenzte Anzahl Menschen Platz gibt und dadurch immer wieder welche weichen müssen. Und das sind, warum auch immer, immerzu die falschen und viel zu früh. Ich frag mich, was für ein Gott das ist, der solche Entscheidungen fällt. Will er nur den Müll hier auf der Erde haben?«
»Vielleicht. Damit er die Guten bei sich hat.« Anne lachte.
»Klingt irgendwie einleuchtend.« Ich lachte mit und wurde dann ernst. »Hoffentlich kann er auf dich noch ganz lange warten. Ich wüsste nämlich nicht, was ich ohne dich machen sollte.«
»Du bist süÃ.« Anne küsste mich.
»Ich glaube, ich würde dir sofort hinterherkommen.
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