Aschenwelt
es war mir unangenehm, Almosen von jemand anderem als von meinem Vater entgegen zu nehmen. Ich würde sogar arbeiten, um etwas Geld zu verdienen, dachte ich. Zum ersten Mal in meinem Leben. Doch nicht die Arbeit, der junge Frauen auf dem Kiez normalerweise nachgingen. Niemals würde ich meinen Körper verkaufen. Ich konnte mir nichts Widerwärtigeres vorstellen. Ich würde wachsam sein und bei den ersten Anzeichen, dass hier etwas nicht stimmte, abhauen. Das nahm ich mir fest vor. Doch ich vertraute dem Typ. Bisher war er immer freundlich gewesen und hatte mir immer geholfen. Deshalb begleitete ich ihn, was ich nicht hätte tun sollen.
Der Mann, zu dem wir wollten, wohnte in einem groÃen Haus in einer kleinen SeitenstraÃe der Hauptamüsiermeile, wie sie manche nannten. Hauptfickmeile wäre ein passenderes Wort.
Und es war ein Bordell. Na prima. Ich hatte es befürchtet und wollte auf der Stelle wieder umkehren.
»Hey«, versuchte mich der Typ zu beruhigen. »Der wohnt zwar hier, hat aber mit dem ganzen Nuttenkram nichts am Hut. Wirst schon sehen.«
»Und warum wohnt er dann in einem Puff?«
»Strenggenommen wohnt er nicht im Puff, sondern überm Puff. Guck, da oben. Der oberste Stock mit dem vielen Glas?«
Ich schaute nach oben.
»Da wohnt er. Geile Wohnung und die geilste Aussicht der ganzen Stadt. Schon das alleine lohnt sich. Kommst also mit?«
»Na gut«, gab ich zögerlich nach.
Wir gingen zum Hintereingang, vor dem ein breitschultriger und stiernackiger Kerl im schwarzen Anzug stand. Der Dealer begrüÃte den Sicherheitsmann freundschaftlich, worauf uns dieser die Tür öffnete, die ausschlieÃlich zu einem Aufzug führte, der uns in den obersten Stock bringen sollte. Der Aufzug war überall mit Spiegeln verkleidet, silberne Griffstangen rundum, und ein silbernes Bedienfeld, auf dem nur zwei Knöpfe waren. Einer führte nach oben, der andere nach unten.
Die Aufzugtür öffnete nach einem leisen Ping, und vor uns lag eine der abgefahrensten Wohnungen, die ich jemals gesehen hatte. Und ich hatte schon viele Wohnungen von Reichen gesehen, da meine Eltern sich ausschlieÃlich in solch erlauchten Kreisen bewegten. Doch diese Wohnung war das Gegenteil der SpieÃigkeit, die ich bisher erlebt hatte. Der FuÃboden war mit quadratischen groÃen weiÃen Fliesen ausgelegt. Es war nur ein einziger riesiger Raum, der sich über fast den gesamten Grundriss des Hauses erstreckte. Auf drei Seiten umfasste ihn eine Dachterrasse, die durch die Glaswände gut zu sehen war. Und sie boten einen atemberaubenden Ausblick über die ganze Stadt und den Hafen. Einzelne Bereiche der Wohnung waren entweder durch weiÃe oder schwarze schlichte Möbel abgetrennt, oder durch Glasvitrinen, in denen alte EGitarren, goldene Schallplatten, Mikrofone, Eintrittskarten, Schuhe, Klamotten und andere Dinge ausgestellt waren.
»Er ist ganz dick im Showbusiness«, flüsterte der Typ mir zu.
Ich war überwältigt, musste ich zugeben. So stellte ich mir einmal mein Leben vor. Ein Traum.
Ein Mann kam auf uns zu und begrüÃte uns, mit einer Flasche Bier in der Hand. Ich schätzte ihn auf um die fünfzig, wegen seinen grauen Haaren hauptsächlich. Er trug einen stylischen schwarzroten AdidasJogginganzug aus den Siebzigern, wahrscheinlich ein teures Original. Sehr cool und mir äuÃerst sympathisch. Er hatte ein gewinnendes Lächeln und begrüÃte mich mit einem festen Handschlag und einigen freundlichen Worten, bevor er den Typ in den Arm nahm und beide über irgendetwas, das ich nicht verstand, laut lachten. Er bot uns beiden ein kaltes Bier an, das der Typ sogleich freudig annahm, ich aber ablehnte. Bier mochte ich nicht. Widerlich. Darauf fragte er mich nach meinem Lieblingsgetränk.
»Fanta mit Wodka.« Wenig später hielt ich es in der Hand.
Nach einigem unverbindlichen Geplänkel eröffnete der Dealer, warum wir hier waren und erklärte dem Mann meine Situation. Der Mann sagte, dass es ihm leid täte, wir gemeinsam aber ganz sicher eine Lösung fänden.
»Ich will aber nichts geschenkt«, sagte ich, nippte an meinem Glas, und der Mann lachte herzlich, wobei ich einige Goldzähne in seinem Gebiss entdeckte.
»Warum denn nicht?«, fragte er. »Es gibt doch nichts Schöneres auf der Welt, als etwas geschenkt zu bekommen!«
»Von der Familie vielleicht, oder von Freunden«,
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