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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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»Ich habe heute, und darum bin ich eigentlich hier. Also, ich habe – um mich mehr um dich kümmern zu können – habe ich heute gekündigt.« Sie lächelte erwartungsvoll. Doch ich starrte sie nur entgeistert an.
    Â»Du hast was?«
    Â»Gekündigt.« Sie seufzte tief, als ob eine große Last von ihr abgefallen wäre.
    Ich gebe zu, ich war beeindruckt und es berührte mich sogar ein wenig, dass sie wegen mir ihre Arbeit, ihre über alles geliebte Arbeit, aufgegeben hatte. Aber andererseits war es für diese Geste schon lange zu spät.
    Â»Das ist ja mal der größte Schwachsinn, den du seit langem getan hast«, sagte ich und blickte sie kalt an.
    Das Lächeln auf dem Gesicht meiner Mutter erlosch innerhalb eines Atemzugs. Und zum ersten Mal seit langer Zeit tat sie mir ein bisschen leid. Hatte sie es wirklich verdient, eine so undankbare und garstige Tochter zu haben? Wahrscheinlich nicht. Aber ich konnte nicht aus meiner Haut. Sie war selbst schuld. Erstens hatte sie mich in die Welt geschissen und mich dann noch groß gefuttert. Hätte sie sich alles ersparen können. Und mir damit auch so manches.
    Ich verzog keine Miene und unternahm nicht einmal einen halbherzigen Versuch, sie zu trösten. Aber sie weinte nicht, wie ich das erwartet hatte. Sie blickte mich nur stumm an, was mir unangenehm war. Ich fühlte mich dabei, als könne sie in mich hineinsehen. Ich wünschte mir, dass sie endlich wieder ging. Und tatsächlich stand sie bald auf, sagte noch, dass sie sich wünschte und darauf hoffte, dass sich unser Verhältnis irgendwann änderte. Und beim Hinausgehen meinte sie noch: »Kevin wartet draußen. Er will dich besuchen.«
    Â»Ich will ihn nicht sehen«, sagte ich.
    Kaum war sie aber draußen, betrat Kevin trotzdem mein Zimmer. Ich schnaubte genervt. Kevin schaute mich schüchtern lächelnd an, und bevor er auch nur einen Ton sagen konnte, sagte ich: »Wenn du hier schon uneingeladen hereinplatzt, mach nicht den gleichen Fehler wie meine Mutter, und grüße gefälligst Anne.«
    Kevin zuckte zusammen. »Hallo … Anne«, krächzte er und räusperte sich darauf.
    Ich nickte zufrieden und fragte ihn dann ein wenig schroff, was er wolle, obwohl ich ihm zu verdanken hatte, dass ich nicht mehr in diesem dunklen Kellerloch festsaß. Aber ich war noch zu aufgebracht vom Besuch meiner Mutter, als dass ich ihm meine Dankbarkeit hätte zeigen können.
    Â»Was willst du?«, fragte ich ihn.
    Â»Schauen, wie’s dir geht«, sagte Kevin.
    Â»Gut«, sagte ich. »Und?«
    Er schaute sich hilflos in meinem Zimmer um, wobei sein Blick auf meinem Gemälde hängen blieb.
    Â»Hast du das gemalt?«, fragte er.
    Â»Wer sonst?«
    Er zuckte ein wenig zusammen. »Cool.« Er nickte anerkennend und schenkte mir wieder ein schüchternes Lächeln.
    Ich runzelte genervt die Stirn.
    Anne flüsterte mir ins Ohr, dass ich nicht so fies sein solle. Sie hatte recht, musste ich zugeben.
    Â»Ach so, ja, Kevin«, begann ich und wollte mich bei ihm bedanken, dass er mich aus dem Kellerloch befreit hatte. Dabei fiel mir ein, dass Anne von all dem überhaupt nichts wusste. Ich hatte ihr nicht erzählt, dass der Dealer mich verkauft hatte, nichts von dem Kellerloch, nichts von Kevins Heldentat. Ich hatte es einfach vergessen, verdrängt, vielleicht wollte ich sie auch nicht unnötig beunruhigen.
    Â»Ja?«, sagte Kevin.
    Ich seufzte. »Nichts. Habs vergessen.«
    Kevin zog die Augenbrauen in die Stirn. Eine unangenehme Stille breitete sich aus, in der niemand wusste, was er sagen sollte. Ich wünschte mir, dass Kevin ging und mich und Anne endlich in Ruhe ließ. Aber er machte keine Anstalten dazu.
    Â»Tja«, sagte ich.
    Kevin schob seine Hände in seine Hosentaschen, als wüsste er nicht, was er sonst mit ihnen anfange sollte, blieb aber immer noch am gleichen Fleck stehen und lief mit jeder Sekunde, die in Stille verstrich, roter an.
    Â»Wie läufts in der Schule?«, fragte ich.
    Â»Gut, ganz gut«, sagte er und nickte dazu. »Du fehlst halt.«
    Â»Und Anne auch?«, fragte ich. Und ganz hinten, im letzten Winkel meines Hirns, hatte ich einen kleinen Gedanken, oder sogar einen Wunsch, dass Kevin das auf meine FacebookPinwand hätte schreiben können, dass ich fehlte. Ich schalt mich für diesen hirnrissigen Gedanken.
    Â»Ja, Anne auch«, bestätigte

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