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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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Irgendwann dämmerte es Anne, wohin ich wollte. Und sie war davon nicht begeistert.
    Â»Lass uns zu dir fahren, in dein warmes Bett!«, versuchte sie mich davon abzubringen.
    Â»Vergiss es.« Ich war fest entschlossen und hörte nicht auf sie. Auch wenn sie immer lautstarker von mir forderte, nicht dorthin zu fahren, mich irgendwann sogar anflehte, wieder zurück in die Klinik zu gehen.
    Â»Weißt du nicht mehr, wie schwer es war, von den Steinchen wegzukommen?«, fragte sie.
    Â»Doch, weiß ich«, sagte ich. »Ich will auch keine Steinchen, sondern Dope.«
    Inzwischen waren wir an der Stelle angelangt, wo es immer etwas zu kaufen gab, auch mitten in der Nacht. Und dort an der Ecke stand auch schon ein Dealer; ein Schwarzer, der seine Rastalocken unter eine dicke Wollmütze gestopft hatte. Ich hielt an, ließ Anne absteigen, und lehnte das Fahrrad an eine Hauswand.
    Ich ging zu dem Dealer und wollte ihn gerade ansprechen, als mir einfiel, dass ich kein Geld dabei hatte.
    Â»Ich hab auch kein Geld«, sagte Anne. Es gelang ihr nicht, ihre Erleichterung darüber zu verbergen.
    Ich erschlaffte. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich schalt mich selbst einen Vollidioten und machte kehrt. Am Geldautomaten um die Ecke probierte ich mein Glück und wurde enttäuscht. Mein Konto war nach wie vor gesperrt. Wie kam ich jetzt an Geld? Ich brauchte nicht viel. Ein Joint würde genügen, davon war ich überzeugt.
    Â»Du willst doch jetzt nicht betteln gehen!«, sagte Anne.
    Â»Was sonst? Soll ich mich an die Straße stellen und auf einen Freier warten?«
    Â»Nein. Aber …«
    Â»Hast du einen besseren Vorschlag?«
    Anne stöhnte. »Lass es einfach sein und geh mit mir zu dir. Oder noch besser gleich zurück in die Klinik!«
    Â»Nein. Ich brauch jetzt was zu rauchen. Noch ein einziges Mal. Dann ist alles vorbei.«
    Anne blickte mich an und machte dabei ein so ernstes und gleichzeitig trauriges Gesicht, wie ich es noch nie an ihr gesehen hatte.
    Â»Also gut«, sagte sie. »Ich mach das nicht gerne. Aber wenn nichts anderes hilft …«
    Â»Was denn bitte?« Ich war verwirrt.
    Â»Du musst dich entscheiden«, seufzte Anne. »Entweder die Drogen oder ich.«
    Ich schaute sie entgeistert an. »Das ist jetzt nicht dein Ernst!«
    Â»Doch, ist es. Blutiger Ernst sogar. Wir gehen jetzt zurück in die Klinik.«
    Ich war sprachlos und suchte nach Worten. Sie sagte noch etwas, aber ich hörte sie nicht, weil es in meinem Kopf laut rauschte. »Bist du blöde?«, schrie ich sie schließlich an. »Dort sterbe ich! Und du auch!«
    Â»Nein, Jo. Dort helfen sie dir. An den Drogen stirbst du. An nichts sonst.«
    Ich setzte mich kraftlos auf einen Betonpoller am Straßenrand.
    Â»Ich wusste es.«
    Â»Was wusstest du?«
    Â»Dass du nicht hinter mir stehst.«
    Anne verdrehte die Augen. »Jo!«, rief sie. »Sei vernünftig und geh mit mir zurück!«
    Â»Vernünftig?« Ich sprang auf. »Vernünftig! Dass ich das aus deinem Mund höre! Haben wir uns nicht mal geschworen, niemals vernünftig zu sein? Niemals solche Spießer zu werden wie meine Eltern es sind?«
    Â»Darum geht es jetzt nicht.«
    Â»Worum dann?«
    Â»Um dein Leben! Jo! Ich will, dass du weiterlebst! Weil ich dich nämlich liebe! Wie sonst nichts auf der Welt! Kapierst du das nicht? Ich liebe dich! Du dummes Stück, du.« Ihre Stimme wurde brüchig, und sie verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.
    Ihre versteckten Tränen brachen etwas in mir auf. Mach jetzt nicht den gleichen Fehler noch einmal, Jo. Ich tat einen zögerlichen Schritt auf Anne zu und fasste sie zaghaft am Arm.
    Â»Lass mich.« Anne zog ihren Arm von meiner Hand weg.
    Â»Anne. Bitte.« Ich atmete einmal tief durch. Sie zu verlieren wäre schlimmer als der Tod. Ich war hin und her gerissen. Ich wollte doch nur noch einmal high sein, um dann die Teufel vernichten zu können. Und das tat ich auch für Anne. Denn die Teufel wollten sie, nicht mich! Nahm ich aber jetzt Drogen, war Anne auf jeden Fall weg. Wenn nicht, könnten die Teufel leichtes Spiel haben und sie holen. Aber, und das fiel mir in dem Moment wieder ein, seit Tagen hatte ich nicht mehr von der Aschenwelt geträumt, wenn Anne bei mir war. Vielleicht lag es ja an unserem Drogenkonsum, dass wir immer gemeinsam dort waren? Und Anne hatte mir erzählt, dass sie nicht mehr dort war,

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