Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
Vom Netzwerk:
bin.«
    Â»Und wo willst du hin?«
    Â»Keine Ahnung«, sagte ich, obwohl ich ganz genau wusste, wohin. »Einfach weg hier. Hilfst du mir?«
    Anne druckste herum. »Ich weiß nicht recht. Willst du es nicht noch einmal versuchen?«
    Mann Anne!, ärgerte ich mich in Gedanken. Es geht hier auch um dich! Wenn ich die Teufel nicht endlich vernichte, dann holen sie dich!
    Â»Nein«, zischte ich. »Ich will, dass wir immer zusammen sind. Und hier drin ist das so gut wie unmöglich, da wir immer damit rechnen müssen, dass sie dich rauswerfen.«
    Anne war unschlüssig, das sah ich ihr an.
    Â»Hör zu«, unternahm ich noch einen Versuch, sie zu überzeugen. »Ich weiß, wie wir die Teufel besiegen können!« Das war gelogen. »Und dann ist alles gut. Versprochen.«
    Anne seufzte. Aber sie sagte ja, obwohl sie nicht völlig überzeugt schien.
    Es war ungefähr Mitternacht, und die Klinik lag in tiefem Schlaf. Ich zog mir ein paar der dämlichen Klamotten an, die meine Mutter mir gebracht hatte: Ein blumiges Sommerkleid, eine Bluse drüber, sah scheiße aus, aber vielleicht war es ja kühl draußen, und noch eine noch blümeligere Leggins. Gott, seh ich beschissen aus.
    Anne und ich wollten uns über die düsteren Gänge der Klinik schleichen. Doch die Tür war verschlossen. Wir kamen nicht raus. Ich fluchte stumm. Durchs Fenster. Auch wenn mein Zimmer im dritten Stock lag, egal. Irgendwie würden wir schon runterkommen. Verdammt, ich hatte die Gitter vor meinem Fenster vergessen. Ich stöhnte verzweifelt und verfluchte Uschasnik und die ganze Klinik. Da öffnete sich plötzlich meine Zimmertür. Ich sprang geistesgegenwärtig in mein Bett, schaltete im Flug noch das Licht aus, und Anne hastete hinter die sich öffnende Tür. Eine Schwester kam herein und schaute nach mir. Ich konnte gerade noch die Decke über mich ziehen, dass sie meine Klamotten nicht sah, und stellte mich schlafend. Mein Herz raste, und ich hielt den Atem an. Sie kaufte es mir ab. Als sie wieder draußen war, flüsterte ich Annes Namen in die Dunkelheit. Keine Antwort. Auch nach dem zweiten Mal nicht. Ich verstand nicht. Erst als sich die Tür abermals öffnete und ich Annes Stimme hörte, die mich flüsternd aufforderte, mit ihr zu kommen. Sie war, als die Schwester in mein Zimmer getreten war, durch den Türspalt auf den Flur gehuscht, hatte sich dort versteckt, bis die Schwester wieder in ihrem Büro verschwunden war, um dann meine Tür zu öffnen, was von außen problemlos möglich war. Raus auf den Flur, am Schwesternzimmer vorbei geschlichen, ins Treppenhaus, einen Stock tiefer. Ich hörte Schritte. Anne versteckte sich hinter einem Medikamentenwagen, für mich war es allerdings zu spät. Der Pfleger hatte mich schon entdeckt. Er musterte mich misstrauisch, und ich tat so, als wäre mir etwas unter das mit Plastikfolie abgedeckte Bett gefallen, unter dem ich mich verstecken wollte, und versuchte ein Gesicht zu machen, das ausdrückte, dass alles seine Richtigkeit hatte.
    Entweder, der Pfleger glaubte mir, oder er hatte keine Lust auf Scherereien mitten in der Nacht. Er ging einfach wortlos an mir vorüber und verschwand in einer Tür.
    Anne und ich huschten weiter die Stufen hinab und gelangten unentdeckt in die Empfangshalle. Wir schlichen geduckt am Rezeptionstresen vorbei zum Haupteingang. Keiner hielt uns auf, und wir entkamen in die finstere Nacht. Ich sog gierig die frische Luft ein, die ein wenig nach feuchtem Laub roch. Es war inzwischen Herbst geworden.
    Â»Wohin nun?«, wollte Anne wissen. »Zu dir?«
    Â»Nein«, sagte ich. »Dorthin geh ich nie wieder. Folg mir einfach, ich habe eine Idee.«
    Doch wie wir dort hinkommen sollten, das wusste ich bislang noch nicht. Zu Fuß war es zu weit, und Busse fuhren um diese Uhrzeit hier draußen nicht mehr. Ich ging zum Fahrradständer und prüfte, ob irgendjemand leichtsinnig genug war, sein Fahrrad nicht anzuschließen. Gab es immer wieder. Heute Nacht hatte ich Glück. Ich fand allerdings nur ein einziges Fahrrad, das nicht abgeschlossen war, und das hatte schon einige Jahre auf dem Buckel, dem vielen Rost nach zu schließen. Einen Gepäckträger hatte es auch nicht, dafür aber eine Stange, auf der Anne Platz nehmen konnte.
    Ohne Licht fuhren wir vom Gelände der Klinik, und ich schlug den direkten Weg zu meinem Ziel ein.

Weitere Kostenlose Bücher