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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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hatte den Duft der Iris zu stark eingeatmet.
    »Was macht ihr hier?«, fragte ich Susan, als sie auf mich zukam.
    »Nate hat uns hierhergebracht«, sagte sie mit verängstigtem Blick. »Aber er wollte mir nicht sagen, warum … Er hat gesagt, dazu wäre keine Zeit. Er hat mir Angst gemacht.«
    Sie stand mit leicht angehobenen Armen da, während ich mich umschaute. Nate hatte sehr vorausschauend gehandelt. Das war der beste Ort von allen. Der Vampir konnte sie hier nicht riechen.
    »Ludkar kann euch nichts tun.«
    Susan verstand nicht.
    »Ludkar? Aber er hat uns doch gerettet.«
    Ich blickte sie finster an.
    »Leben retten ist das Letzte, was dieses Monster tut!«
    Das Mädchen fasste sich an die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Also jetzt verstehe ich gar nichts mehr!«, sagte sie fast so, als wolle sie keine weiteren Erklärungen mehr hören.
    Meine Augen suchten noch immer die Dunkelheit ab. Warum war Nate nicht hier bei den Mädchen?
    »Wo ist Nate?«
    »Er hat gesagt, er müsse etwas holen … aus einem Häuschen auf einem Baum.«
    Ich hörte Schritte im Korridor. Es war dunkel, ich konnte nichts sehen, aber da war kein Weihrauchgeruch.
    Nates Augen tauchten aus dem Dunkel auf. Im Vergleich zum letzten Mal hatten sie wieder ein wenig Farbe bekommen. Er blickte auf den Boden und schien meine Anwesenheit noch gar nicht bemerkt zu haben. Er trug das Buch unterm Arm, das wir vor nicht allzu langer Zeit hier gefunden hatten.
    »Wenn Thara kommt, dann kann sie in diesem Buch …«, rief er Susan zu.
    »Thara ist schon da«, sagte das Mädchen leise.
    Erst da hob er den Kopf und blickte mich an. Ich sah, wie von seinem Herzen ein heller Lichtschlag ausging.
    Ich kam mir vor wie von einer Welle überspült. Dieser Schlag schien mein Herz stillstehen zu lassen.
    Nate schwieg mit ausdruckslosem Gesicht. Dann senkte er den Blick und ging zu Susan und Penny.
    »Ich hätte nicht erwartet, dass du schon so bald wiederkommst.«
    Susan sah mich verdutzt an. Offenbar wollte Nate mir etwas sagen, doch er versteckte sich hinter ihr.
    »Ich wollte nachsehen, ob es ihnen gut geht«, sagte ich und sah Susan dabei an.
    Nate kniete sich hin und zog ein Spielzeug aus der Tasche, das er im Baumhaus geholt hatte. Er gab es der Kleinen.
    »Es geht ihnen gut«, sagte er, als Penny ihm einen Kuss gab. »Ich habe mich um sie gekümmert.«
    Ich schlang die Arme um mich und strich mir über die Ärmel, als würde ich frieren. Mir war unbehaglich zumute, ich fühlte mich quasi nackt.
    »Und … wie geht es dir?«, fragte ich schüchtern.
    Nate stand auf.
    »Besser.«
    »Alles in Ordnung?«
    Er drehte sich zu mir um und blickte mich streng an.
    »Ich habe gesagt, es geht mir besser.«
    Susan spürte, dass die Atmosphäre schwer und drückend wurde, und das nicht nur wegen der Asche. Sie nahm das Kind an der Hand und ging in eine Ecke hinter der Statue.
    Ich kniff die Augen zusammen. Wenn ich Nate noch länger angesehen hätte, wäre ich zu ihm gegangen und hätte ihn umarmt. Ich wollte seine Wärme spüren, musste ihn berühren, aber so wie er auf mich reagierte, kam ich mir vor wie auf einer Hängebrücke über einem Abgrund.
    »Ludkar …«, hob ich an.
    Nate fiel mir ins Wort: »Ich hatte gehofft, diesen Namen nie mehr aus deinem Mund zu hören.«
    Meine Schuldgefühle durchtrennten die letzten Seile der Brücke.
    »Was er dir angetan hat, ist abscheulich«, flüsterte ich mit gesenktem Kopf.
    Ich sah, wie Nate einen Schritt auf mich zu machte.
    »Nicht das, was er mir angetan hat«, sagte er langsam und mit weicher Stimme, »nicht das, was er mir angetan hat, hat mir am meisten wehgetan.«
    Ich merkte, dass sich etwas veränderte. Ich fühlte eine kaum wahrnehmbare Vibration auf meiner Haut. Nate schien kurz davor, mir zu verzeihen.
    »Dieser Kuss war Teil des Schwindels.«
    Nate sagte nichts, aber als ich ihn wieder ansah, hatten sich diese kleinen Grübchen in seinem Gesicht gebildet.
    »Dein Brief war sehr schön«, sagte er.
    Ich musste unweigerlich lächeln.
    Er drehte sich um und setzte sich auf den Sockel der Statue.
    »Komm her«, sagte er ruhig.
    Ich ging zu ihm und setzte mich neben ihn. Nicht zu nah, aber dieses Mal nicht aus Angst zu verbrennen. Ich hielt es für besser, die Distanz nicht zu schnell zu verringern.
    »Ich habe mir das Buch angesehen«, flüsterte er und schlug es auf seinem Schoß auf.
    Er glitt mit der Hand über das alte Papier.
    »Es ist sehr interessant.«
    Ich nickte und strich mir die Haare hinters Ohr. Ich

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