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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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Reihen mit anderen Symbolen, offenbar Entsprechungen der oberen. Ich versuchte, den Text neben den einzelnen Zeichnungen zu übersetzen. In der ersten Reihe sah man einen Mann, ein violettes Auge und ein Monster.
    »Menschen. Vampire. Tagwesen und Nachtwesen. Beide bewohnen die Welt der Lebenden, Letztere aber leben vom Tod.«
    Mit einigen Schwierigkeiten übersetzte ich weiter:
    »Dämmerwesen sind die Frucht einer Vereinigung von Tagwesen und Nachtwesen. Diese empfindlichen Geschöpfe ertragen Sonnenstrahlen und Mondschein nicht sehr gut. Nur in der kurzen Zeit des Sonnenaufgangs und Sonnenuntergangs finden sie zur Ruhe. Ansonsten ist ihr Leben vom Schlaf geprägt.«
    Das stimmte.
    »Lies weiter!«, forderte Nate mich auf.
    »Dämmerwesen haben eine auffallende, violette Augenfarbe, die sie von anderen unterscheidet. Sie können hinter die Grenzen dieser Welt blicken und in die Große Aschewüste reisen, die Welt aus Asche, die in der Mitte existiert.«
    Ich besah mir die dritte Reihe: Eine Pyramide symbolisierte die reale Welt, ein Kreis die Düne des Nichts und eine umgedrehte Pyramide die Nicht-Welt, den Tod.
    Ich dachte nach. Die Entsprechungen waren klar.
    Ich sah Nate an. Auch er war in Gedanken. Ich las die Erläuterung für die mittlere Reihe, in der eine Art Katze, eine Blume und ein Kristall zu sehen waren.
    »Dämmerwesen reisen in die Große Aschewüste, wenn sie den Duft der Iris, ihrer Lieblingsblume, einatmen. Wie ihre Augen sind diese Blütenblätter mit der Substanz getränkt, die aus dem violetten Feuer entsteht. Dieses gilt wie der schwarze Mond als eine Pforte zwischen der Welt und der Großen Aschewüste.«
    Ich sah genauer hin. Das erklärte wirklich vieles.
    »Blumen wie auch Dämmerwesen stehen in der Mitte zwischen Lebenden und Nicht-Lebenden. Blumen leben, aber sie haben keine Seele.«
    Beim letzten Satz blieb mir buchstäblich der Mund offen stehen.
    »Im Unterschied zu ihrem Erzeuger, einem Nachtwesen, ernähren sich Dämmerwesen nicht von lebendem Fleisch. Sie nähren sich vom Blut der Pflanzen. Deswegen nennt man sie auch Blumen-Vampire.«
    »Blumen-Vampire«, wiederholte ich leise.
    Nate schlug das Buch zu. Das Kapitel war zu Ende.
    »Könnte ich wie Ludkar werden?«, fragte ich ihn mit einem Anflug von Sorge.
    »Ich dachte, du würdest diesen Namen nie wieder erwähnen.«
    Er hatte einen Scherz machen wollen, doch meine Unruhe wuchs.
    »Ich meine es ernst, Nate.«
    »Thara, im Buch steht, dass ihr euch von Blumen ernährt. Hättest du Schuldgefühle, weil du eine Rose isst?«
    Er hatte recht. Das war ein dummer Gedanke. Außerdem ernährte ich mich wie alle anderen Menschen, ich hatte noch nie das Bedürfnis verspürt, eine Margerite oder eine Lilie zu essen.
    »Du hast recht. Es ist nur … Ich habe heute so schreckliche Dinge erlebt.«
    »Alles wird gut, du wirst sehen«, versuchte er mich zu trösten.
    Ich drückte meine Hände, die auf meinen Knien ruhten, und stellte mir vor, es wären die von Nate.
    »Nate«, ich sah ihn durchdringend an. »Willst du versuchen, durchs Feuer zu gehen?«
    Er schien überrascht.
    »Ich kann es versuchen. Aber ich muss warten, bis irgendwo Flammen auftauchen … Und außerdem kann ich wohl kaum entscheiden, wo ich in der Welt erscheine.«
    »Vielleicht kann ich dir sagen, wie das geht«, flüsterte ich.

Charles hatte mir gesagt, wo er einen Schlüsselbund für Notfälle versteckt hatte, und so suchte ich bei der Villa in dem Blumentopf rechts vom Tor.
    Ich lief über den schmalen Weg und musste drei Schlüssel ausprobieren, bis ich endlich den richtigen für die Haustür fand. Ich war müde und aufgeregt. Nate hatte gesagt, dass er mich liebte, aber für eine Romanze war unsere Lage denkbar schlecht: Nichts als Blut und Verheerung.
    Ich sah auf die Uhr. Es war noch früh, Charles würde erst in zwei Stunden zurückkommen, und vorher würde der Abend hereinbrechen. Ich ging in die Küche, um Kaffee zu kochen.
    Ich suchte in den Schränken nach etwas Pulver, fand aber nur Kekse und eine große Auswahl an Teesorten. Ich runzelte die Stirn und erinnerte mich an eine Passage aus dem Buch: Dämmerwesen nährten sich von Blumen, hatte da gestanden. Ich würde keine Iris aus dem Garten essen, aber ich könnte ausprobieren, wie Kräutertee auf mich wirkte.
    Ich roch an den Packungen: Rosen-, Jasmin- und Lavendelduft stiegen mir in die Nase. Zuerst wusste ich nicht, was ich aussuchen sollte, aber als ich die Aufschrift »Iris- und Veilchentee« las, war

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