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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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alles klar.
    Ich brachte Wasser zum Kochen und fragte mich, ob ich das Richtige tat. Wenn ich ins Cinerarium reisen konnte, wenn ich nur an den Iris roch, was würde dann erst passieren, wenn ich einen Absud aus ihren Blättern trank?
    Das Pfeifen des Kessels erinnerte mich daran, dass ich die Herdplatte ausmachen musste. Ich goss das heiße Wasser in eine Tasse und gab einen Beutel der Mischung hinzu, die nach Sehnsucht duftete. Ich setzte mich an den Tisch und starrte in die Dampfschwaden, die durch die Luft waberten wie ein eingebildetes Spinngewebe. Langsam färbte sich das Wasser, es wurde dunkler, genau wie meine Gedanken, die sich verdüsterten.
    Ich nahm den Teebeutel heraus, führte die Tasse zum Mund und trank ein wenig von der Flüssigkeit.
    Ich riss die Augen auf, fast hätte ich mich verschluckt. Noch nie hatte ich so etwas Gutes getrunken, so etwas außergewöhnlich Gutes! Ich nahm einen zweiten Schluck. Eine Geschmacksexplosion. Es war unglaublich. Ich spürte, wie das Aroma meinen ganzen Körper durchdrang und mir Kraft gab. Meine Schläfrigkeit war wie weggeblasen.
    Ich war wach. Ich fühlte mich kraftvoll und so gut wie selbst in der Morgen- oder Abenddämmerung nicht.
    Dankbar und zugleich argwöhnisch blickte ich in den Tee. Das konnte nicht normal sein. Ich hatte noch nie gehört, dass Kräutertee eine solche Wirkung haben sollte. Ich trank weiter und spürte die Kraft bei jedem Schluck. Bei meinem nächsten Zusammentreffen mit Ludkar wäre ich ihm vielleicht gewachsen …
    Ich wollte gleich ausprobieren, ob ich wirklich die Kräfte eines Vampirs hatte. Ich kam mir zwar blöd dabei vor, doch ich hob den Arm und ließ meine Hand kräftig auf den Tisch knallen, um ihn entzweizuschlagen. Ich tat mir dabei weh und hielt gleich die Hand unters kalte Wasser.
    Auch wenn der Kräutertee keine Auswirkungen auf meine körperlichen Fähigkeiten hatte, wusste ich jetzt wenigstens, wie ich meine Müdigkeit vertreiben und paradoxerweise ein ganz normaler Mensch werden konnte.
    Nun war der Moment gekommen, an Nate zu denken. Ich hatte ihm versprochen, eine Möglichkeit zu finden, ihn durchs Feuer zu lotsen, damit er nicht an irgendeinem zufälligen Ort der Welt auftauchte, und ich wusste nun, wie ich das anstellen könnte.
    Ich lieh mir die Sense, die neben Charles’ Schreibtisch stand. Ich würde zwar Sallys Garten verwüsten, aber ich wusste, dass meine Idee die richtige war.
    Ich ging die Treppen hinunter und achtete darauf, nicht zu stolpern.
    Im Garten machte ich mich daran, im orangeroten Licht der Dämmerung die Iris zu mähen.
    Als ich fertig war, hob ich sie vorsichtig auf, wobei ich darauf achtete, ihren Duft nicht einzuatmen, und legte sie in einen Korb, den ich in der Küche gefunden hatte.
    Ich brachte sie ins Wohnzimmer und machte das Fenster weit auf, damit ihr Duft nicht zu intensiv wurde. Dann ging ich in die Garage.
    Ich suchte Holz und etwas, mit dem ich ein Feuer machen konnte. Neben Nates Motorrad sah ich einen Benzinkanister und dachte, damit würde es gut gehen. Ich trug den Kanister und die Holzscheite ins Wohnzimmer und vergewisserte mich, dass alles bereitstand.
    Es fehlte nur noch der volle Wassereimer für den Fall, dass Ludkar einen Angriff startete. Ich holte ihn und überlegte, wie ich nun vorgehen wollte.
    Ich hatte vorgehabt, im Kamin Feuer zu machen und es so lange wie möglich am Brennen zu halten. In regelmäßigen Abständen würde ich eine Blume ins Feuer werfen und dabei an Nate denken. Sollte ich die Dinge im Cinerarium wirklich dort auftauchen lassen können, wo ich wollte, würde er die Pforte des violetten Feuers finden und hindurchgehen können.
    Ich legte die Scheite in den Kamin und goss ein wenig Benzin darauf. Dann zerknüllte ich Zeitungspapier und zündete das Feuer an.
    In wenigen Augenblicken hatten die Flammen das Holz erfasst, aber ich brauchte ein paar Versuche, bis sie richtig brannten. Ich hätte nie gedacht, wie schwierig es ist, ein Kaminfeuer anzuzünden!
    Schließlich gelang es mir, und ich setzte mich aufs Sofa. Ich zog die Schuhe aus und kauerte mich an eine Armlehne. Durch die Vorhänge, die sich an den offenen Fenstern bauschten, blickte ich nach draußen. Es war inzwischen dunkel geworden, und die kühle Luft machte die Hitze erträglich, die der Kamin verströmte.
    Neben mir lagen die Blumen. Ich griff mir ungefähr zehn Stück und warf sie ins Feuer. Ich hoffte wirklich, Nate würde sie finden und Charles rechtzeitig nach Hause kommen, sodass

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