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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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meinen Vater finden und Ludkars Körper zerstören, sonst hört es nie auf«, sagte ich und rückte von Charles ab. Ich wischte mir das Gesicht ab und versuchte zu lächeln.
    Ich sagte ihm nicht, dass Nate durchs Feuer gekommen war, sonst hätte er gewollt, dass ich ihn noch einmal zurückholte. Aber nach den Qualen, die Nate auf seinem Weg durchs Feuer ausgestanden hatte, wollte ich das lieber vermeiden. Ich sagte ihm nur, dass ich im Cinerarium mit Nate gesprochen hätte.
    »Und was hat er gesagt?«, fragte er aufgeregt.
    »Die Schatulle. Ich habe ihm von der Schatulle erzählt, die wir im Schloss gefunden haben, und er hat gesagt, er habe sie selbst gemacht.«
    »Was? Im Ernst?«, rief er.
    »Er hatte sie für meinen Vater gemacht und wollte sie ihm gerade übergeben, als er gestorben ist.«
    »Na klar«, sagte Charles und legte einen Finger an die Lippe. »Er hat immer sein Motorrad repariert. Er war der Einzige, der geschickt genug war, so eine Schatulle anzufertigen.«
    »Und ich weiß jetzt auch, wo der Schlüssel ist.«
    Kaum hatte ich Charles über Nates Motorradschlüssel informiert, liefen wir auch schon in die Garage. Charles nahm die Plane ab, die das Motorrad bedeckte, und zog einen Schlüsselbund von der Lenkstange. Er inspizierte ihn aufmerksam. Einer der Schlüssel war von Hand gemacht.
    »Da ist er!« Er zog ihn ab und musste unweigerlich lachen. »Ich bin sicher, das wird einiges erklären!«
    Mit dem Schlüssel an Charles’ ausgestrecktem Arm eilten wir zurück ins Wohnzimmer.
    Wir setzten uns an den Tisch, auf dem die Schatulle stand, und holten tief Luft. Ich wartete darauf, dass Charles den Schlüssel ins Schloss steckte, aber er drehte sich zu mir und gab ihn mir.
    »Ich denke, du solltest das machen.«
    Der Schlüssel war kalt und schwer, als könne man mit ihm das Tor zu einer anderen Welt öffnen.
    Ich betrachtete den Spalt in der Schatulle, steckte ihn hinein und spürte, dass er perfekt passte.
    Mit der anderen Hand hielt ich den rostigen Deckel fest, auf dem der Name meines Vaters deutlich zu lesen war, und drehte schließlich den Schlüssel. Das Schloss quietschte wie ein Eisenmund, den nach Öl dürstete. Ich drehte den Schlüssel dreimal, und beim dritten Mal sprang der Deckel auf.
    Er hob sich einen Millimeter und ließ einen schmalen, dunklen Spalt erkennen.
    Charles beobachtete mich, ich beobachtete die Schatulle.
    Ich schob meine Finger in den Spalt und zog mit aller Kraft. Die Scharniere klemmten, und ich hatte den Eindruck, als würde ich mit einem Alligator aus Stahl kämpfen.
    Vor lauter Anstrengung schrie ich, als sich der Deckel endlich löste.
    Die Schatulle war offen.
    In ihrem Inneren kamen keine Geheimwaffen, keine magischen Talismane oder dämonische Geister zum Vorschein, wie Leo gemutmaßt hatte, sondern nur Erinnerungen.
    Die schönsten Erinnerungen, an die ein Mensch denken konnte, wenn er wissen wollte, was sein Leben gewesen war.
    Ganz vorsichtig nahm ich die Sachen aus der Schatulle und legte sie auf den Tisch.
    Nach dem düsteren Grollen des Deckels war weder mir noch Charles nach reden zumute.
    Die Gegenstände, die ich vor uns ausgebreitet hatte, sahen sehr zerbrechlich aus. Die Zeit und die Dunkelheit hatten sie brüchig werden lassen.
    Da war ein kleines Plüschtier, ein Kätzchen, dem ein Auge fehlte, ein Ring, in den der Name meiner Mutter eingraviert war, eine Christbaumkugel sowie ein paar Briefumschläge und Fotografien.
    »Das da«, sagte Charles und nahm das Stofftier wehmütig in die Hand, »hat Julia vor vielen Jahren auf dem Rummel beim Dosenwerfen gewonnen, da hatten sie und dein Vater sich gerade erst kennengelernt … Sie hat es Kolor geschenkt … Wie traurig! Hier sind diese ganzen Sachen also gelandet.«
    Ich sah zu, wie er das Kätzchen streichelte, und fragte: »Glaubst du, dass Nate die Schatulle gemacht hat, um sie ins Schloss zu bringen?«
    »Ja. Nate und dein Vater waren gute Freunde. Nachdem Julia und Kolor sich getrennt hatten und Kolor abgehauen ist, wollte Nate wohl all die Dinge, die Kolor lieb und teuer waren, in der Schatulle sammeln und sie ihm ins Schloss bringen. Und weil er nicht wusste, ob er ihn auch wirklich dort finden würde, hat er eine Schatulle gefertigt, die der Zeit standhalten würde.«
    »Damit mein Vater sie finden würde, sofern er eines Tages zurückkehren sollte«, ergänzte ich.
    »Ich glaube, so war es, ja …«
    »Und als Nate ins Schloss kam, um die Schatulle dort zu hinterlassen, wurde er

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