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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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und so ordentlich aufzustellen. Dann verstand ich plötzlich: Nicht die Dinge an sich waren wichtig, sondern die Tatsache, dass sie sich noch ein wenig Farbe bewahrt hatten.
    Ich drehte mich um und fand meine Vermutung durch alles andere im Raum bestätigt. Es war zwar schwierig, aber man konnte dennoch Spuren verblasster Farbe auf dem ganzen Ramsch erkennen.
    Das machte mich ein wenig traurig. Sicher war es nicht einfach, an einem Ort zu überleben, wo monströse Kreaturen einen verschlingen wollten und wo man nicht einmal die kleinste Erleichterung verspürte, wenn man in den Himmel blickte. An seiner Stelle wäre ich verrückt geworden. Wahrscheinlich konnte er in die Aschewelt nicht einfach so kommen und gehen wie ich.
    Alles, was ich sah, ließ mich vermuten, dass er in der Falle saß.
    An den Wänden hingen Bilder, zusammengestellt aus Plakatfetzen, Zeitungen und Theaterzetteln, wie Collagen, doch die Rahmen und das Glas waren kaputt.
    Ich wollte mich gerade auf einen Schemel setzen, als ich Geräusche hörte. Ich sprang wieder auf. Da kam jemand.
    Ich spitzte die Ohren und meinte, Wasser plätschern zu hören. Nervös trommelte ich mit den Fingern auf ein Regalbrett. Ich hoffte, der Junge würde endlich kommen. Ich hielt das Warten nicht mehr aus, und dieses Geräusch nervte mich – in meinen Ohren klang es wie Tausende Tropfen aus Hunderten schlecht zugedrehter Wasserhähne.
    Ich beschloss, nachzusehen, ob ich etwas dagegen tun konnte.
    Ich stieg über das Bett und ging zu der anderen Tür, die in den Korridor führte. Wie zuvor bückte ich mich und lief los. Von dem Korridor gingen eine Reihe Kabinen ab, alle ohne Tür. Da!, rief ich im Stillen aus: Aus einer Kabine kam Wasser und lief über den schiefen Boden. Es sah aber gar nicht aus wie Wasser – es war grau wie Asche.
    Ich ging zu dem Rinnsal hinüber, hielt mich am Türrahmen fest und versuchte, einen Blick in die Kabine zu werfen.
    Ich erstarrte. Ein paar Sekunden stand ich reglos da. Ich konnte den Blick nicht abwenden, so als hätte sich etwas in meinem Hirn aufgehängt.
    Dort drin war er.
    Und ich hatte ihn in einer Situation erwischt, in der er alles andere als geheimnisvoll wirkte: Er duschte.
    Ich ging sofort wieder und hoffte, dass er mich nicht gesehen hatte. Ich drückte mich an die Wand. Mein Herz raste mit tausend Schlägen in der Sekunde, und ich atmete schwer.
    Ich musste mich wieder beruhigen.
    Mit allem hätte ich gerechnet – aber nicht damit. Ich hoffte, dass er nichts gemerkt hatte. Zum Glück hatte er mir den Rücken zugedreht.
    Ich lief schnell in den Raum zurück, aus dem ich gekommen war, und setzte mich auf die Bettkante. Ich wollte nicht verlegen wirken. Ich befühlte meine Wangen, weil ich unsinnigerweise dachte, ich könne feststellen, ob sie rot waren. Der Typ schien hart im Nehmen zu sein, und ich wollte mich ihm ebenbürtig zeigen.
    Klar war es schwierig, sich sein Bild aus dem Kopf zu schlagen. Es war fast schwieriger, als nicht an seine Augen zu denken.
    Ich hatte gesehen, wie er sich mit der Hand durch sein dunkles Haar gefahren war, während der Wasserstrahl über seinen Nacken, seinen Rücken und noch weiter hinunter über seine Beine gelaufen war. Ich schluckte. Er hatte einen schlanken, kräftigen Körper, der von dem schimmernden Wasser auf seiner perfekten Haut noch betont worden war und darunter noch lebendiger ausgesehen hatte. Helle, mondhelle Haut, unter der sich starke, geschmeidige Muskeln abzeichneten. Er sah aus wie eine Statue.
    Wenn es solche Statuen geben würde, würde ich mein ganzes Leben in Museen verbringen. Aber ich wollte mich von seinem Äußeren nicht einschüchtern und auch nicht verführen lassen. Ich musste darüberstehen.
    Dann verstummte das Geräusch des Wassers.
    Ich holte ganz tief Luft. Ich stellte mir vor, wie er gleich zur Tür hereinkäme.
    Und, bist du immer noch nackt?, dachte ich unvermittelt. Sicherlich erwartete er keine Gäste.
    Ich sah, wie sich sein Schatten durch den Korridor bewegte, und schloss automatisch die Augen. Ich hörte die Schritte näher kommen. Dann war es still.
    Ich rechnete damit, dass er etwas sagte, doch er gab keinen Laut von sich. Ich wartete noch eine kleine Weile, dann beschloss ich, die Lider vorsichtig wieder zu öffnen.
    Da stand er. In einem schwarzen T -Shirt und Jeans. Tausend glühende Farben durchfuhren mich. Von seinem Haar und von seinem Kinn tropfte Wasser. Er starrte mich wie versteinert an, ohne einen Muskel zu bewegen.
    Sein Blick war

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