Ascheträume
mich nicht schockieren können; in den letzten Tagen war meine Selbstbeherrschung gewachsen.
Ich brach unerwartet in Lachen aus, als hätte ich gerade einen tollen Witz gehört. Ich lachte fast Tränen. Aber ich wusste nicht, ob ich über diese absurde Situation lachte oder wegen meiner zum Zerreißen gespannten Nerven. Danach fühlte ich mich jedenfalls ziemlich gut.
Stephanie sah Clive an wie ein Wissenschaftler ein Bakterium, das sich in einem Reagenzglas bewegt, dann schrieb sie weiter in ihr Heft. Steve tat es ihr gleich.
Clive setzte eine blasierte Miene auf. Er war unzufrieden mit dem Ergebnis, das er erzielt hatte, doch sein öliges Lächeln war so unauslöschlich wie eine Tätowierung.
Er streckte eine schweißige Hand nach meiner aus. Kaum hatte er sie berührt, zog ich sie zurück, als hätte ich sie versehentlich in einen Sack voller Würmer gesteckt.
»Thara«, – er ließ nicht locker – »vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Ich kann mir kein klares Bild von dir machen, wenn ich nicht weiß, was du für Wäsche trägst.«
Wahrscheinlich hätte ich mich angegriffen fühlen müssen, aber ich hatte keine Kraft dazu. Ich war vollkommen desinteressiert an allem, was um mich herum oder in der Welt vorging. Ich konnte nichts dagegen tun, ich wusste, dass Clive sich widerwärtig und inakzeptabel benahm, aber es war mir gleichgültig. Es war, als würde ich eine Sitcom im Fernsehen ansehen. Ich kam mir vor wie eine Zuschauerin, die auf einem Sofa aus Asche saß.
Als ich mich gerade doch zu einer passenden Antwort aufraffen wollte, sagte jemand an meiner Stelle: »Diese Frage musst du Esteban stellen. Er kann dir ihre Unterwäsche in allen Einzelheiten beschreiben.«
Ich musste mich nicht umdrehen, ich wusste auch so, dass Jennifer Suarez hinter mir stand. Ich hatte sie bereits am Klacken ihrer Pfennigabsätze erkannt.
»Hallo, Jennifer«, sagte ich, ohne mich umzudrehen.
Sie gab mir einen guten Grund, wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren. Ich drehte mich um, und unsere Blicke trafen sich. Ihre Augen waren voller Hass und Wimperntusche.
Ihre beiden Freundinnen, die immer ein paar Schritte hinter ihr gingen und genauso gekleidet waren wie sie, mit der gleichen Halskette und dem gleichen Lippenstift, sahen aus wie zwei Hündchen, die schwanzwedelnd mit ihren Strasshalsbändern herumliefen. Wie ihre persönlichen Accessoires.
Sie bewegten sich im Gleichschritt mit Suarez, immer bereit, ihr gefällig zu sein und mit dem Kopf zu nicken, egal, was sie sagte.
Jennys Parfüm, das entschieden zu wuchtig war, wirkte besser als Kaffee. Sie roch wie ein wandelnder Friedhof.
»Ich wollte dir nur sagen, dass du und deine Freundin lächerlich seid. Um das mal klarzustellen: Esteban ist nur mit dir ins Bett gegangen, weil er eine Wette verloren hat. Spaß hat es ihm keinen gemacht!«
Das nahm ich persönlich. Ich war mit überhaupt niemandem im Bett gewesen, und dass man mich wegen etwas verleumdete, das ich nicht getan habe, machte mich wütender als alles andere.
»Ich war nicht mit ihm im Bett!«, schrie ich und stand auf.
»So?« Die Suarez kniff die Augen zusammen. »Warum will deine Freundin Christine Esteban dann unbedingt erpressen?«
»Was?« Für einen Moment vergaß ich ihre Anschuldigungen.
»Ja, diese Sache mit den Fotos. Sie will ihn mit getürkten Bildern erpressen. Sie sagt, sie wird sie in der Schülerzeitung abdrucken, wenn er sich nicht in aller Öffentlichkeit entschuldigt. Eine Unverschämtheit!«
Jennifer zielte gut, bevor sie ihre Giftpfeile abschoss. Ich machte einen Schritt auf sie zu und zwang sie, zurückzuweichen.
Ich spürte, wie die Wut maßlos in mir wuchs. Eine unterdrückte Wut, von der ich bis dahin gar nicht gewusst hatte, dass sie in mir steckte. Auf Esteban, auf Clive und auf das ganze Chaos, das offenbar in mein Leben eingedrungen war wie Jauche von einem Lastwagen, der auf der Autobahn umgekippt war.
In was für einen Schlamassel manövrierte sich meine beste Freundin denn nun schon wieder hinein?
Ich versuchte, mich zu beherrschen, und sprach so ruhig, wie ich konnte.
»Leute«, sagte ich zu den drei Schülern am Tisch, »für heute sind wir fertig. Ich will kein Geld. Entschuldigt mich.«
Jennifer und ich warfen uns noch einen letzten, hasserfüllten Blick zu, dann ging ich.
Ich hörte, wie sie und ihre Freundinnen hinter meinem Rücken lachten wie Äffchen. Der Zirkus ist in der Stadt!, dachte ich.
Zügig lief ich durch die
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