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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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zieht die Aschemenschen an wie Motten das Licht.«
    Er verstummte jäh, als hätte er keine Lust mehr weiterzureden. Er drehte den Kopf zu mir, die Haare fielen ihm ins Gesicht. Vielleicht ärgerte er sich, dass er uns geholfen hatte. Ich hatte ihn noch nie so unwirsch gesehen.
    Wir gingen lange durch die Dünen, bis wir ein großes violettes Feuer sahen. Auf dem Gipfel angelangt, erkannten wir, was es war.
    Aus einem Kamin kamen Flammen.
    Darunter stand eine ganze Fabrik – eine Konstruktion aus Rohren, Stegen und verbrannten Eisenteilen. Genau genommen handelte es sich um eine Raffinerie, wie mir Ludkar erklärte, während wir uns dem Bau näherten. Eine Anlage, in der Erdöl verarbeitet wurde, war in Flammen aufgegangen und hier wiederauferstanden. Das violette Feuer loderte aus dem Kamin, weil die Raffinerie in der realen Welt noch in Betrieb war.
    Wir stiegen von der Düne zu dem komplexen Industriebau hinab. Ludkar ging zu einem Steg und mit einem gewaltigen Satz von mindestens drei Metern sprang er auf ein Rohr. Ich musste die Treppe nehmen.
    Ich folgte ihm über den Außengang, bis er schließlich stehen blieb und beschloss, mir wieder Beachtung zu schenken.
    »Ich wohne hier«, sagte er und fixierte mich mit seinen dunklen Augen, die in seinem weißen Gesicht genauso aussahen wie der nicht existente Mond über uns. Zwei schwarze Löcher, die alles verschlangen, was sie ansahen. Zwei Abgründe.
    Ludkar machte einen Schritt auf mich zu. Ich verspürte eine seltsame Erregung, aber ich hatte keine Angst.
    »Ich habe dich nicht eingeladen«, sagte er.
    »Dann hättest du mich vorher aufhalten sollen.«
    Er lächelte dünn, drehte sich auf dem Absatz um und lief weiter. Seine Schritte hallten auf dem Eisensteg, auch wenn er keine Schuhe trug. Ich folgte ihm und beobachtete seinen merkwürdigen Gang.
    »Du bist ein kluges Mädchen«, sagte er. Ich wusste nicht, ob das ein Kompliment sein sollte oder ob er sich über mich lustig machte.
    »Du hast versprochen, mir zu sagen, was damals mit Nate passiert ist, wenn wir allein wären.«
    Ludkar antwortete nicht, er stieg eine Leiter in einen Lagerraum hinunter.
    Die Halle war groß und dunkel. In den Ecken standen vom Feuer verstümmelte Maschinen, die aussahen wie tote Riesenspinnen. Ludkar ging mitten hindurch, und wenn ihm eine Maschine im Weg war, schob er sie einfach weg wie einen Stuhl. Er hatte eine unglaubliche Kraft.
    Ganz hinten standen ein Bettgestell und ein paar Metallfässer.
    Ludkar nahm seinen Mantel ab und ließ ihn auf den Boden gleiten. Er trug ein langes schwarzes Seidenhemd, unter dem sich sein starker, muskulöser Körper abzeichnete.
    »Dann … wohnst du also hier«, sagte ich, als er seinen Schal auszog.
    Er hielt kurz in der Bewegung inne.
    »Sollen wir Konversation machen?«
    »Wenn du willst.«
    »Ich habe nichts anderes vor«, sagte er freudlos.
    Ich ging zu einem Fass und setzte mich darauf.
    »Willst du etwas über meine schwierige Kindheit wissen?«, fragte er ironisch.
    Ich lächelte genauso ironisch zurück.
    »Wie du zum Vampir wurdest? War es ein Fluch?«, wagte ich mich vor.
    Er hob die Augenbrauen und runzelte die Stirn.
    »Ein Fluch!« Er brach in wildes Lachen aus und schüttelte sich. »Glaubst du wirklich an dieses Märchen? Wir Vampire – und auch dieser Scheißort – haben nichts Fantastisches oder Esoterisches an uns! Willst du ein bisschen Unterricht?«, fragte er mit rollenden Augen.
    Ich wartete, bis er sich wieder beruhigt hatte.
    »Ich habe nichts anderes vor«, erwiderte ich dann.
    »Wenn du dich umsiehst …«, flüsterte er und begann, um mich herumzugehen. »Wenn die Menschen doch sehen könnten!« Er warf den Kopf nach hinten. »Es ist so offensichtlich, dass die Wirklichkeit aus verschiedenen Schichten besteht …«
    Er kam zu mir und strich leicht über meinen Hals. Ich saß reglos da, starr. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich ärgern und von ihm abrücken sollte.
    »… Schichten«, flüsterte er provozierend. »Wie deine Haut … Aber das sind physikalische Begrifflichkeiten.« Er sah mich mit irrem Blick an. »Quantenmechanik. Das erkläre ich dir jetzt nicht.«
    Erneut fiel er in einen Zustand geistesgestörter Ruhe.
    »Ich verstehe nicht …«, sagte ich leise, um zu sondieren, woher seine Laune rührte.
    Ludkar packte eine Kette, die von der Decke hing, und zog daran. Ich sah, wie die Haken aus dem Putz sprangen und zusammen mit einem Schwall Mauerbrocken zu Boden fielen.
    »Alles künstlich! Alles

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