Ash Grey
beleidigten Blicken und zieht mich dann weiter. Die Haustür knarrt als sie geöffnet wird. Mir fällt sofort auf, dass es hier genauso riecht wie in Felix‘ Wohnung – nach Melone.
>> Papa?! Bist du da? <<
Das Vorzimmer ist klein, aber hell. Überall an den Wänden hängen Fotos. Ich will sie mir ansehen, aber ich will Felix auch nicht aus den Augen verlieren. Ich folge ihm weiter in ein großes Wohn- Esszimmer mit Wintergarten. An der Wand steht ein Klavier und ich zähle spontan drei Gitarren. Alles hier ist voller Bücher, CDs und Vinylplatten. Ich habe noch nie so eine beeindruckende Musiksammlung gesehen. Manche Läden bieten weniger Auswahl.
>> Wahnsinn… << , murmle ich, als ich vor der zwei Meter hohen Regalwand stehe.
Das hier ist mein Nirwana. Ich werde gerade furchtbar neidisch auf Felix.
>> Na bitte! Er ist noch nicht mal da! << , meint er und fängt an die Zeitschriften auf dem Esstisch wegzuräumen.
>> Alter Chaot! << , mault Felix.
Ich muss lachen. Hier ist es wirklich ein bisschen chaotisch. Nur die Musiksammlung ist akribisch genau nach Genre und Alphabet sortiert. In Felix‘ Wohnung sieht es anders aus. Er fängt auch hier gleich mit dem Ordnung machen an. Wahrscheinlich war er schon immer so. Sein Vater scheint nicht so penibel zu sein.
Als ich die Tür draußen knarren höre, erschrecke ich ein bisschen.
>> Felix? <<
Die Stimme klingt etwas atemlos, aber auffallend klar.
>> Wohnzimmer! << , ruft Felix zurück und schiebt mit dem Fuß den Teppich so, dass er wieder in der Mitte des Raumes liegt. >> Entschuldigt die Verspätung, aber ich hatte ein paar übereifrige Eltern in der Sprechstunde, die glauben, Mozarts Geist wäre in ihren Sohn gefahren! Hätten sie mit den achttausend Euro mal lieber einen Exorzisten einfliegen lassen und kein Klavier gekauft! <<
Felix Vater sieht haargenau so aus wie Patrick Dempsey. Er trägt vier Styroporboxen die kurz davor sind runterzufallen. Felix nimmt ihm das Essen ab und stellt es auf den Tisch. Sie sind genau gleich groß, haben einen sehr ähnlichen Körperbau, aber ihre Gesichter ähneln sich nicht.
>> Ich hatte keine Zeit zu kochen, also bin ich schnell beim Chinesen vorbeigefahren! Ich hoffe das ist okay. <<
Er lässt seine Tasche auf den Boden fallen und dreht sich zu mir.
>> Du musst Kim sein! <<
Ich nicke wie ein verängstigtes, kleines Mädchen.
>> Ja! <<
Er kommt auf mich zu und streckt mir die Hand hin. Ich starre ihn an. Er trägt ein blaues Hemd zu dunklen Jeans und Cowboyboots. Er sieht nicht aus wie ein Lehrer.
>> Freut mich… << , piepse ich.
Ich bin ein wenig überrascht weil er überhaupt nicht so ist wie ich ihn mir vorgestellt habe.
>> Ich bin Michael. <<
Er nennt mir seinen Vornamen, obwohl er Felix‘ Vater ist. Er wirkt allgemein sehr locker und jung, trotzdem bin ich furchtbar nervös.
>> Magst du Chinesisch Kim? Ich wusste nicht ob du Vegetarierin bist, also habe ich von allem etwas genommen. <<
>> Ja! Sicher! Ich esse Fleisch! Danke! <<
Felix ist noch immer damit beschäftigt Ordnung zu schaffen. Er begutachtet die Pflanzen am Fensterbrett.
>> Sag mal Papa, ich kann mich irren, aber dieser braune, trockene Avocadostrauch sieht tot aus! <<
Felix‘ Vater winkt ab und lächelt.
>> Ja, aber schmeiß ihn nicht weg, ich habe mich so an seinen Anblick gewöhnt << , scherzt er.
Felix zieht eine Augenbraue in die Höhe.
>> Irgendwann steht hier ein Fernsehteam und will wissen wie das mit dem Messie-Syndrom bei dir angefangen hat! <<
>> Mit dem Auszug meines einzigen Sohnes! << , entgegnet er gespielt theatralisch.
Ich muss lac hen, obwohl ich so nervös bin. Das Essen riecht köstlich aber ich habe gar keinen Appetit.
>> Felix hat erzählt dass ihr zusammenwohnt. <<
Ich nicke, will etwas sagen, verstumme dann aber. Ich wollte erklären wie dankbar ich bin, dass Felix mich aufgenommen hat und dass ich ohne ihn nicht wüsste wohin, aber ich habe zum Glück früh genug bemerkt, wie seltsam das klingen würde. Er soll nicht wissen wie armselig mein Leben ohne seinen Sohn wäre. Wahrscheinlich weiß er es aber schon.
>> Er hat mir sehr geholfen << , meine ich schließlich, weil ich nicht einfach nichts sagen, oder lügen kann.
>> Das ist doch schön! << , entgegnet Michael und schenkt mir ein Lächeln.
Ich bin ihm wirklich dankbar, dass er nicht nachhakt oder mir das Gefühl gibt armselig zu sein. Er erkundigt sich nach dem Konzert in München und Felix‘ Gesundheitszustand. Er will, dass er sich die
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