Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
wo eben noch der Pilger untergegangen war.
Lucky lief zu ihm. »Siehst du Dad irgendwo?«
Eine Gestalt erhob sich aus dem Ganges. Der runde Kopf war mit dunklen, verkrusteten Schuppen bedeckt, vor allem über der Stirn. Die Schultern waren so breit wie eine Flügeltür und durch die tiefen Furchen zwischen den Muskeln rann funkelndes Wasser, während die langen Arme vor und zurück schwangen, als sie die Treppe heraufstolzierte.
Von dem Pilger fehlte jede Spur, abgesehen von dem noch blutigen Knorpel, der dem Mann – dem Rakshasa – aus den Zähnen hing, die ihm in sämtlichen Winkeln aus der langen Krokodilschnauze wuchsen.
»Mayar«, flüsterte Ash. Woher wusste er, dass sie hier waren?
Es spielte keine Rolle. Rishi hatte sie davor gewarnt, das Lalgur zu verlassen, aber Ash hatte es ja besser wissen müssen. Jetzt würden sie beide für seine Dummheit bezahlen.
»Lucky, lauf!«, drängte er. »Zurück ins Lalgur, schnell!«
Die Menschen stimmten lautes Geschrei an. Ein Mann rannte auf Mayar zu, doch der holte mit seinem Vorschlaghammer von einer Faust aus und zertrümmerte dem Angreifer den Schädel. Ohne mit der Wimper zu zucken, schritt der Krokodil-Dämon über die Leiche hinweg.
»Lauf!« Ash drehte sich mit Lucky an der Hand um. Sie mussten schleunigst wieder in das Labyrinth der Altstadt, wo einige der kleinsten Gässchen zu schmal für Mayar sein würden.
Der Boden bebte, als Mayar mit schweren Schritten die Stufen hinter ihnen hinaufpolterte. Nachdem der Scheiterhaufen seinen Weg blockierte, meinte Ash, ein paar Sekunden zu gewinnen, doch Mayar marschierte geradewegs durch die lodernden Scheite hindurch. Das Holz krachte und die Luft brüllte, als der Scheiterhaufen unter ihm zerbröselte.
Wenn sie es bis in die Gassen schafften –
»Hallo, Süßer.«
Auf einer Säule kauerte Jackie, deren Mähne im Schein der aufzüngelnden Flammen zu lodern schien. Die zerrissenen Kleider hingen wie Wimpel von ihren muskulösen fellbedeckten Schenkeln und hinter ihr zuckte ein Schwanz hin und her, während sie Ash und Lucky mit gierig heraushängender Zunge anstarrte. Sie sprang und hechtete dann mit einem verrückten Heulen über den Ghat.
Ash schob Lucky vor sich her. Seine Angst und das Geschrei der Dämonen machten jeden Gedanken an einen Plan zunichte. Sie rannten einfach drauflos. Ash hörte Jackies Knurren und Mayars markerschütterndes Brüllen, während mächtige Füße hinter ihnen über das Kopfsteinpflaster stampften.
Ash stürzte durch Gassen, hastete über einen herrenlosen Karren, stolperte über eine Gruppe schlafender Pilger und krabbelte auf Händen und Knien über Arme und Beine der laut protestierenden Männer. Lucky, die wesentlich flinker und leichter war, hatte schon einen beachtlichen Vorsprung und verschwand in dem Gewirr unbeleuchteter kleiner Straßen.
Als Ash tiefer in diesen Irrgarten hetzte, rutschte er auf etwas aus. Hinter ihm hallte bereits das Echo von Jackies wildem, gellendem Keckern und er rechnete damit, dass ihre Krallen ihm jede Sekunde den Rücken aufreißen würden. Keine Gasse war breiter als zwei Meter oder verlief lange geradeaus. In der Finsternis hinter den Umrissen der Notleidenden und Ausgestoßenen der Stadt glühten rote Lampen und kleine Feuer.
Ein Hund schnappte nach seinen Zehen und nur mit einem gewagten Satz konnte Ash sich an ihm vorbeizwängen. Noch während das Tier laut kläffte, flüchtete er sich in eine kleine Nebengasse.
Lucky, wo steckst du? Ash rannte blindlings weiter, während er sich mit ausgestreckten Armen durch die Dunkelheit tastete. In seiner Panik konnte er nur noch flach und hektisch atmen. Es war, als versuche die alte Stadt, ihn zu ersticken. Die engen Kopfsteinpflaster erstreckten sich in alle Richtungen, doch als Ash mit brennenden Beinen um eine Ecke bog, landete er ausgerechnet in einer Sackgasse.
Er probierte es an der nächstgelegenen Tür, doch sie war abgeschlossen. Irgendwo hinter ihm bellte noch immer der Hund von vorhin. Dann wurde auf einmal ein Knurren daraus, das immer gefährlicher und aggressiver klang, bis ein kurzes Jaulen erschallte. Etwas schnappte zu. Knirschen. Stille.
Ash suchte die Wände ab. Er konnte nicht zurück, nicht nach links, nicht nach rechts, also musste er wohl nach oben. Er betrachtete die Regenrinne eines baufälligen Tempels, die an einem Netz aus lose hängenden Kabeln vorbei wenigstens zehn Meter in die Höhe führte. Die Altstadt wurde über Hängeleitungen mit Strom versorgt, die
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