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Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)

Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)

Titel: Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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entfernt lag, waren Straßenkehrer damit beschäftigt, faules Gemüse, Plastikmüll und Tierkot fortzufegen, und Ash sah, dass auch die Priester in den Tempeln emsig bei der Arbeit waren. Einer der heiligen Männer, der aus einer spröden gelben Schriftrolle vorlas, bemerkte sie. Der Blick des alten Mannes verdüsterte sich und für einen Augenblick fragte sich Ash, ob er einer von Ujbas Informanten sein könnte.
    Schnell zog er seine Schwester weiter. »Beeil dich, Lucks.«
    Gemeinsam schlüpften sie tiefer ins Herz der Altstadt hinein.
    Nach und nach tauchten in den Gässchen ordentlich geschichtete Stapel von Brennholz auf. An immer mehr dieser mannshohen Gebilde schlängelten sie sich vorbei, während sie tiefer und tiefer in das Labyrinth und die wabernden Trugbilder aus Rauch vordrangen, die den Pfad zum Manikarnika-Ghat bevölkerten.
    Dem Platz der Scheiterhaufen.
    Neben einem kleinen Stand – eigentlich bestand er aus nicht mehr als einem Stück Plane, das von zwei Holzpfeilern hochgehalten wurde – wartete eine Schlange von Menschen. Darin hockte ein kleiner Junge, der weinte, während ihm ein Barbier mit geübter Hand und einem Rasiermesser die Haare vom Kopf schor. In einem Fluss aus Schaum flossen sie den Rinnstein entlang und formten ein schwarzes Dickicht über dem halb verstopften Abfluss. Der süße Duft von Sandelholz, Weihrauch und brennenden, morschen Scheiten stieg Ash in die Nase.
    Kurz bevor die Gasse vor einer Anlegestelle neben dem Fluss endete, hielten sie an. Eine dicke Rauchwolke fegte über Ash hinweg, brannte in seinen Augen und schnürte ihm die Luft ab, sodass er sich hustend abwenden musste.
    Vor ihm fand eine Totenfeier statt. Auf der breiten, steinernen Plattform lag der Ruß von Jahrhunderten und in ihrer Mitte war ein Scheiterhaufen aufgetürmt. Mannshoch hatte man aus Holzstapeln eine Art Hochbett geschaffen, auf dem ein Toter lag. Vom prasselnden Feuer war die Leiche bereits schwarz, die Haut schon aufgezehrt. Ash starrte auf den Totenschädel, der den Blick in das gleißende Licht über sich gerichtet hatte. Das trockene Holz knisterte und knackte, während eine Wand aus Feuer sich nach links und rechts wiegte. Es brannte heiß auf Ashs Gesicht und der nackten Haut. Die anwesenden Männer sangen uralte Gebete, während eine Seele im schwarzen Qualm gen Himmel aufstieg. Hinter den Flammen sah Ash den Fluss, auf dessen Oberfläche sich das glitzernde Spiegelbild des Feuers tausendfach brach, als wären die Abbilder aller Einäscherungen, die der Strom seit Anbeginn der Zeit miterlebt hatte, in seinen Fluten aufbewahrt.
    »Wo ist Dad?«, fragte Lucky, die aufgeregt auf der Stelle hüpfte und über die Köpfe der Menschen hinweg nach ihm Ausschau hielt.
    »Er kommt schon noch.« Die Männer waren lediglich verschwommene Silhouetten, die Ash nicht genau erkennen konnte, weil das Licht und die Hitze des Feuers zu intensiv waren.
    Doch nach zehn Minuten begann Ash sich Sorgen zu machen. Dad hätte inzwischen längst da sein sollen. Wo steckte er? Hätte Ash nur daran gedacht, Johns Handy mitzubringen, dann hätte er noch einmal telefonieren können. War etwas dazwischengekommen?
    Unten im Fluss schlug das Wasser kleine Wellen, als ein Pilger bis zur Hüfte hineinschritt. Der Mann holte tief Luft und tauchte mit aneinandergelegten Händen unter. Nach einigen Sekunden tauchte er wieder auf, um erneut Atem zu schöpfen und das Prozedere zu wiederholen.
    Aus den Augenwinkeln entdeckte Ash etwas, das ein schwimmendes Holzscheit zu sein schien, das am Rande des Feuerscheins gerade noch sichtbar war. Es musste sich aus einem der Stöße gelöst haben. Als Ash genauer hinschaute, war das Scheit verschwunden – vermutlich flussabwärts getrieben.
    Mit einem Platschen kam der Pilger wieder an die Oberfläche. Er hustete und räusperte sich lautstark, dann wisperte er ein weiteres Gebet und tauchte ein drittes Mal unter.
    Ash beobachtete, wie seine Luftbläschen aufstiegen und zerplatzten. Der still daliegende Fluss hatte die Farbe von dunkelgrünem Marmor. Träge kratzte Ash sich am Daumen und blickte verwundert darauf, als ein sanftes Kitzeln sich einstellte.
    Auf einmal blieben die Luftblasen aus.
    Ash zitterte. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht.
    »Komm her, Lucks«, forderte er seine Schwester auf, die ein Stück weiter die Straße hinaufgelaufen war.
    Der Fluss regte sich noch immer nicht, doch auf der Oberfläche breitete sich allmählich ein dunkler Fleck im Wasser aus, genau dort,

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