Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
kreuz und quer über die Straßen gespannt waren. Das Wasserrohr reichte weit über diesen Kabelwirrwarr hinaus, bis es in der Nacht verschwand. Es sah zwar nicht sonderlich einladend aus, aber Ash blieb nichts anderes übrig.
In den Straßen hinter ihm kratzten Klauen über Stein.
Ash, du bist bescheuert.
Ash packte die Regenrinne und zog sich daran hoch. Das Rohr wackelte und gab ein Stückchen nach. John hatte erzählt, dass er ständig an Dachrinnen hochkletterte – wie schwierig konnte es schon sein? Andererseits war John halb so schwer wie Ash, selbst nachdem er so viel trainiert hatte.
Völlig bescheuert.
Arme und Beine um das Tonrohr gewickelt, wuchtete Ash sich Stück für Stück aufwärts. Die raue Oberfläche schrammte über seine Haut und rieb seinen Bauch ganz wund.
»Megamonsterbescheuert«, grummelte Ash leise vor sich hin. Gleich würde er abstürzen und sich das Genick brechen. Wer brauchte schon Killerdämonen, um sich umzubringen? Geschah ihm ganz recht dafür, dass er so ein Idiot war.
Plötzlich berührte sein Rücken die Kabel und Ash hoffte, dass er nicht von einem Stromschlag gebrutzelt werden würde, doch die Drähte schienen tot zu sein. Ein bisschen Glück stand ihm ja auch wirklich zu. Er fand in der Wand losen Putz und einige Ritzen, in die er seine Zehen stemmen konnte, um sich die letzten paar Meter hochzuziehen. Ächzend hievte er sich über die niedrige Brüstung und ließ sich auf das Flachdach fallen. Mit angehaltenem Atem befahl er seinem Herz, weniger laut zu hämmern, als er weiter unten ein tiefes, bedrohliches Knurren hörte.
Die Regenrinne fing an zu klappern, dann löste sie sich aus ihrer Verankerung, fiel von der Wand und zerschellte. Wenig später lauschte Ash unterdrückten Schreien und dem übelkeiterregenden Geräusch von zerreißendem Fleisch.
Ein Rakshasa kam die Treppe herauf.
Ash sprang hoch, rannte zum Rand des Dachs und blieb wie angewurzelt stehen. Zwischen diesem Haus und dem nächsten war eine Lücke.
Parkour! Er hatte das schon oft auf YouTube gesehen: über Mauern, Balkone und von Dach zu Dach hechten, rennen und springen. Einmal hatte er das gemeinsam mit ein paar Kumpels ausprobiert, aber das Ende vom Lied war nur gewesen, dass er mit zwei blutenden Schienbeinen nach Hause gehumpelt war, nachdem er es noch nicht einmal hinbekommen hatte, über eine Parkbank zu hüpfen. Und jetzt das hier.
Ash spähte über den Rand. Auf dem Boden hätte er nicht groß darüber nachgedacht, vermutlich trennten ihn gerade einmal zwei Meter von dem anderen Dach – so genau ließ sich das im Dunkeln nicht sagen. Das hätte auch der untrainierte Ash geschafft. Was ihm Bauchschmerzen bereitete, war allerdings nicht der Abstand, sondern die Höhe.
Da ertönte nicht weit entfernt ein Knurren und Ash begriff, dass die Höhe ein weit kleineres Problem war als der Rakshasa in seinem Nacken.
Eine Faust rammte krachend die Tür, die zum Dach führte, und Ash sah gebannt zu, wie sich im Holz ein langer Riss bildete. Der zweite Schlag riss die Tür aus den Angeln und schleuderte sie quer übers Dach. Mayar, dessen Gesicht und Zähne blutverschmiert waren, stieß ein donnerndes, tiefes Lachen aus und deutete dann mit ausgestreckter Kralle auf die Pfeilspitze, die um Ashs Hals hing.
»Der Aastra, Junge, gib ihn mir und ich schenke dir einen schnellen Tod.«
Ash leckte sich über die Lippen, stellte seine nackten Füße in Position und stemmte die Zehen gegen den Stein.
Dann sprintete er los. Und sprang.
Kapitel 18
Der Wind brüllte in Ashs Ohren, als er durch die Nacht segelte. Einen Augenblick lang sah er, wie sich die Lichter der Stadt hell in der Oberfläche des schwarzen Flusses brachen. Die Gesänge der Priester schallten wie Schlaflieder zu ihm herüber, während die beißende Kälte der vom Fluss aufsteigenden Brise seinen Körper umfing. Wie Strom peitschte das Adrenalin durch seine Adern und kitzelte in Fingern und Zehen, als er in die Tiefe blickte. Unten auf der Straße stand ein Mann und starrte entsetzt zu ihm hoch –
Mit einem lauten Krachen kam Ash auf und schlitterte einige Meter weit, bevor er zum Stehen kam.
»Oh, wow«, hauchte er.
Wahnsinn, ich hab’s geschafft!
Er musste sich das ein paarmal sagen, weil er es sonst selbst nicht geglaubt hätte. Logisch wäre gewesen, er hätte als Straßenpizza geendet.
Als er sich umblickte, wurde ihm klar, dass die Lücke doch ein ganzes Stück breiter war, als er gedacht hatte. Dass ihm der Sprung dennoch
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