Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
von innen heraus.
»Und was ist sonst noch los?«, wollte sie wissen.
»Gemma. Was ich vorhatte …«
»Ash …«
»Ja, ich weiß.« Ash ließ das Juwel in seiner Hand hüpfen. »Ich habe meine Freunde verraten und Savage geholfen und alles nur, weil ich dachte, ich könnte den Tod überlisten. Wenn ich nicht doch noch aufgehört hätte, wäre Gemma jetzt wieder da, und zwar als Monster.«
»Aber du hast aufgehört.«
»Erst als es schon fast zu spät war.« Ash stierte auf den Diamanten und sah sich in den vielen Facetten hundertfach gebrochen. »Ich kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen und das muss ich akzeptieren. Ich brauche mir nur Savage anschauen, um zu wissen, was sonst aus mir werden könnte. Das ist der Weg blinder Besessenheit und ich glaube, Ashoka will mir einen anderen Weg zeigen. Nur kapiere ich nicht, welchen.«
Lucky blickte sich im Zimmer um. »Könntest du vielleicht mit Dad über Ashoka reden? Er und Onkel Vik waren doch beide total verrückt nach indischer Geschichte.«
»Und dann hat Dad mich nach einem Typen benannt, der eine Karriere als Feuerteufel und Schlächter hingelegt hat. Super, vielen Dank, Dad!«
»Ashoka hatte auch seine guten Seiten.« Lucky wandte sich gähnend zum Gehen. »Immerhin hatte er irgendwann keinen Bock mehr auf Krieg, das weißt du doch. Er hat keine Waffe mehr in die Hand genommen und sich der Religion verschrieben. Sogar sein Name wurde geändert, oder nicht? In Devan irgendwas.« Sie nahm Ash den Diamanten ab. »Jedenfalls: Wenn du dir für das Ding nicht bald was einfallen lässt, kaufe ich mir damit ein Pony.«
Moment mal. Devan … was? Plötzlich spürte Ash, wie sich etwas in ihm regte, etwas Unbekanntes, aber Geniales. Etwas wie – Hoffnung. »Lucks, weißt du was? Du bist schlauer, als du aussiehst.« Er sprang auf und lief zu seinem Bücherregal. »Hier muss es irgendwo sein.«
Lucky gähnte noch einmal. »Klar, so bin ich: Lucky, das Genie! Vergiss das bloß nicht wieder. Gute Nacht.«
Ash stöberte in seinen Büchern, bis er eines über die Herrscher Indiens fand. Auf dem Einband war ein Gemälde von Shan Jahan, dem Mogulherrscher, der Indiens berühmtestes Denkmal erbauen ließ: das Tadsch Mahal.
Ash blätterte darin und suchte den Beitrag über Ashoka heraus. In diesem Namen lag eine tiefe Bedeutung, die ihm nur zu vertraut war: ohne Reue.
Doch, wie Lucky schon sagte, hatte er auch einen anderen Namen gehabt, einen Titel.
Devanampiya.
Von den Göttern geliebt.
Devanampiya gründete Klöster, unternahm Pilgerreisen und ließ sich von den Brahmanen und Mönchen aller Religionsgemeinschaften unterrichten. Manche Historiker glaubten, dass er sich zum Buddhismus bekehrte, andere, dass er zu einem Sadhu wurde, einem heiligen Mann.
Von den Göttern geliebt.
Ashokas erster Schritt zu diesem Lebenswandel war es gewesen, den Koh-i-Noor loszuwerden. Und plötzlich wusste Ash ganz genau, wohin er ihn bringen sollte.
Kapitel 59
Ich wandere ins Gefängnis. Oder in die Klapsmühle.
Glitzernder Frost bedeckte das Grab. Die Blumen und Geschenke rings um den Grabstein funkelten, als wären sie mit Juwelen besetzt. Ash packte seine Schaufel.
Große weiße Wolken kamen aus seinem Mund, während er die gefrorene Erde aufgrub. Es war Anfang Dezember und grässlich kalt. Eine einzige dunkle Wolke bedeckte den Himmel und sanfte Schneeflocken trudelten durch die stille Nacht.
Fielen auf Gemmas Grab.
Er dachte daran, wie sie ihn in der Cafeteria angelächelt hatte, wie ihr Haar glänzte, wie freundlich sie immer zu ihm gewesen war. Sie war eine wirklich gute Freundin gewesen und würde es immer sein.
Ash warf die schwarze Erde beiseite, grub tiefer und tiefer. Er arbeitete in einem gleichmäßigen Rhythmus und machte nur Pause, um etwas Wasser zu trinken und mit einem prüfenden Blick auf den umliegenden Friedhof sicherzustellen, dass er noch immer alleine war.
Das ist total verrückt.
Plötzlich prallte die Schaufel auf Holz. Das unerwartete laute Geräusch ließ Ash erschrocken innehalten. Er hatte den Sargdeckel kaputt gemacht.
Mondlicht fiel auf goldenes Haar.
Ash legte die Schaufel beiseite und entfernte die restliche Erde mit den Händen. Dann schob er die Finger unter den Deckel und zerrte daran.
Gemma lag auf einem Polster aus Seide. Erdklumpen waren auf ihre weiße Haut gefallen. In den Händen hielt sie einen Blumenstrauß.
»Es tut mir leid, Gemma«, sagte er. Das erschien ihm zu wenig. Er sollte ihr erzählen, wie sehr er
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