Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
dieses Poster vorher noch nie aufgefallen? Es musste immerhin schon seit einigen Tagen dort hängen. Auf seinem Weg zur Schule hätte er regelmäßig daran vorbeikommen müssen.
Fünf Minuten später bog er um die letzte Ecke, hinter der sein Zuhause lag. Als er das Gartentor aufschob, bemerkte er den brandneuen Range Rover, der in der Einfahrt parkte.
Er schloss das Tor wieder. Der Schnee musste ihn in die Irre geführt haben. Sicher war er bei den Nachbarn gelandet. Sein Dad fuhr einen zehn Jahre alten Kombi.
Komisch. Das war das richtige Gartentor. Das war die richtige Einfahrt.
Aber wem gehörte dieses Auto? Sein Blick fiel auf das Nummernschild.
MISTRY 1.
Ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Sein Vater hatte schon immer ein personalisiertes Nummernschild gewollt, doch seine Mum hielt das für rausgeschmissenes Geld. Außerdem war der Range Rover brandneu. Nie im Leben könnten sie sich den leisten. Vielleicht ein neues Firmenwagenprogramm, von dem Dad ihm noch nichts erzählt hatte? Das musste es sein. Oder vielleicht war Dad befördert worden. Abteilungsleiter hatten immer schicke Autos.
Ash schloss die Haustür auf. In der Küche pfiff der Wasserkessel und murmelte das Radio, während seine Eltern plaudernd das Frühstück vorbereiteten. Ash kickte seine Converse All Stars in die Ecke und flitzte in sein Zimmer. Es war schon sieben.
Im Bad warf er seine Klamotten auf den Boden, sprang unter die Dusche und trocknete sich schließlich ab.
»Ashoka! Frühstück!«, rief Mum.
Mist. So nannte sie ihn nur, wenn sie sauer auf ihn war. Bestimmt hatte er matschige Fußabdrücke auf dem Teppich hinterlassen.
Ash öffnete seinen Kleiderschrank und zog ein Hemd heraus. Er knöpfte es zu und musste feststellen, dass es nicht passte. Schnell schlüpfte er wieder heraus. Es war eins seiner alten, aus der Zeit, als er noch ein paar Pfunde mehr auf den Rippen gehabt hatte – vor seinem neuen Kali-Diät-und-Fitness-Programm. Das hier musste Mum aus Versehen mit in die Wäsche gerutscht sein. Ash suchte nach einem anderen, doch das nächste war ebenfalls zu groß. Dann hob er ein T-Shirt auf – es war das alte Schlabbershirt von Nike, das er vor drei Monaten der Wohlfahrt gespendet hatte.
Was ging hier vor?
Ash zog sich das T-Shirt über, entschied sich für eine frische Jogginghose und ging anschließend nach unten.
Der Frühstückstisch wirkte wie immer. In der Mitte lag ein ordentlicher Stapel aus Zeitungen und Zeitschriften. Mum hielt in einer Hand eine Tasse Kaffee, während sie mit der anderen ihre Ohrringe richtete. »Ich dachte, du wärst bereits weg. Ich hab doch die Tür gehört.«
»Ich war noch joggen.« Er schaute sie an. »Wann warst du denn beim Friseur?«
Mum lachte. »Das bemerkst du erst jetzt? Ashoka, den neuen Schnitt habe ich schon seit Monaten.«
Da kam Dad in die Küche. »Hat jemand meine Uhr gesehen?« Er zerzauste Ash das Haar, ohne ihn wirklich anzusehen. »Morgen, Sohnemann.«
»Schau doch mal auf dem Kühlschrank nach«, schlug Mum vor.
»Ah. Da ist sie ja!« Sie war groß, glänzend und aus Gold.
Ash verengte die Augen. »Und seit wann hast du eine Rolex, Dad?«
Dad legte sie sich ums Handgelenk und polierte sie kurz. »Das weißt du doch. Und nein, solange du nicht achtzehn bist, bekommst du keine eigene! Die Diskussion hatten wir schon.«
Lucky schlurfte in die Küche und blickte sich um. »Mum, ich finde meinen Helm nicht.«
Mum deutete in Richtung Flur. »Er ist genau da, wo du ihn nach deinem letzten Unterricht liegen lassen hast. Neben deinen Reitstiefeln.«
»Und wann hast du mit dem Reiten angefangen?«, wollte Ash völlig verwirrt wissen. »In den letzten zwei Wochen?«
»Gleich als wir aus Indien zurück waren, du Blödkopf.«
Das war nicht richtig. Nichts von alldem. Ash starrte seine Familie verständnislos an. Etwas hatte sich verändert, aber was genau?
Dann fiel ihm die Wand hinter Lucky auf. »Wo ist das Foto?«
Mum schenkte Tee in eine Tasse. »Hmm?«
»Na das Foto von Onkel Vik und Tante Anita. Es war genau hier!« An der Stelle des alten Hochzeitsfotos der beiden, das seit ihrem Tod an der Wand gehangen hatte, prangte nun ein Bild einer breit grinsenden Lucky auf einem schwarz-weißen Pony. Mit klopfendem Herzen stand Ash auf. Wie hatten sie nur das Foto abhängen können?
»Geht es dir gut, Ashoka?«
»Das ist nicht witzig«, sagte er. »Wo ist das Bild?«
Sein Vater sah Ash stirnrunzelnd an und schüttelte den Kopf. »Du siehst anders aus,
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