Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
man doch so, oder?«
»Ich glaube, das gilt nur für Haie.«
Das Krokodil schlug mit dem Schwanz und kam näher. Ash dachte an sein Katar, doch das war irgendwo in den Tiefen seines Rucksacks verstaut. Blöder Fehler. Er ballte die Faust, bereit zuzuschlagen.
Das wird bestimmt das Dämlichste, was ich je im Leben gemacht habe. Dabei ist die Konkurrenz ziemlich groß.
»Stell dir einfach vor, das Ding ist eine zukünftige Handtasche«, rief John aus einem hohen Baum.
Wie ist er da raufgekommen? , grübelte Ash. Der Knirps war wirklich ein halber Affe. »Unglaublich hilfreich.«
Das Krokodil starrte Ash an und seine uralten gelben Augen schienen direkt in ihn hineinzublicken. Dann drehte sich das gigantische Reptil um und verschwand langsam und träge im Sumpf.
Ash leerte die dritte Flasche Wasser. Allein in den letzten zwei Stunden musste er die Hälfte seines Körpergewichts in Schweiß verloren haben. Seine Kleider klebten an ihm und die Luft war so dick und schwer, dass es sich anfühlte, als würde man durch ein nasses Handtuch atmen. Die Insekten hatten nicht nur Geschmack an ihm gefunden, sondern auch noch all ihre Freunde zum Essen eingeladen.
Außerdem hatten Ash und John inzwischen ein Publikum, das sie von geschützten Hochsitzen aus beobachtete: Affen mit großen Augen und schwarz bepelzten Gesichtern, die ihre langen Schwänze um Äste gewickelt hatten. Einige trugen Babys bei sich, andere betrieben peinlich genaue Fellpflege bei ihren Artgenossen oder hockten einfach nur neugierig da. Je weiter die beiden Jungen vordrangen, desto größer wurde die Zuschauerschar. Ein ganzes Heer von Affen.
John spähte den Trampelpfad hinab. »Riechst du das?«
In den feucht-klebrigen Geruch nach Fäulnis und Verwesung mischte sich ein frischerer, sauberer Duft. Die Luft fühlte sich weit angenehmer an als noch vor Kurzem. »Das Meer?«
Sie marschierten weiter. Auch wenn das Grün vor ihnen platt gewalzt war, kamen sie nur langsam voran. Das Gelände stieg an, fiel wieder ab und führte durch tiefe Mangrovensümpfe, über reißende Flüsse und Schluchten voller Felsgeröll. Ash schmerzten Beine und Rücken und John fiel immer weiter zurück.
Erschöpft und hungrig hielten sie schließlich an. Ash legte sich auf eine Steinplatte, die von einer dünnen, weichen Moosschicht gepolstert war. Sie würden sich eine Weile ausruhen und wieder zu Kräften kommen müssen, bevor sie weiterzogen. Ash schluckte den letzten Rest Trinkwasser. Seine Superkraft und sein Durchhaltevermögen ließen allmählich nach. Er hatte so viel Energie verbraucht und nicht ersetzt, zudem hatte ihm der Fußmarsch durch den Dschungel mehr abverlangt, als er erwartet hätte. Er fühlte sich – beinahe – menschlich.
Gedankenverloren fuhr er mit den Fingerspitzen über den Fels. »Komisch, hier ist was eingemeißelt.« Er pulte ein Stück dunkles Moos ab. Der Stein war voller Kratzer und Ritzen, allerdings so stark vom Wetter gezeichnet, dass die Abdrücke inzwischen ganz natürlich wirkten. Dennoch fiel auf, dass alle Seiten vollkommen gerade waren. Keine Naturgewalt würde aus einem Stein ein so präzises Rechteck machen.
John inspizierte seinen eigenen Rastplatz. »Schau mal, hier!« Sein Sitz bestand aus drei derselben Steine, die jemand aufeinandergestapelt hatte.
»Pflastersteine«, stellte Ash fest. »Ganz schön groß und ganz schön alt.«
»Aber hier geht es nur zum Meer«, meinte John.
Ash betrachtete die riesigen Platten erneut. Sie waren eindeutig von Menschenhand gefertigt. Aber wozu und warum ausgerechnet hier? »Bist du sicher, dass es hier in der Nähe keine Städte gibt?«
»Glaube schon. Hier sind nur Sümpfe.«
Die Affen plapperten aufgeregt, während sie auf ihren Ästen auf und ab sprangen. Einige hüpften von Felsen zu Felsen, klatschten mit den Händen auf die Steine und schrien dabei laut.
»Was wollen die?«, wunderte sich John.
»Tut mir leid, Äffisch hab ich nicht drauf. Sonst würde ich fragen.«
Misstrauisch führten sie ihren Weg über den niedergetrampelten Pfad fort, während der Sumpf vom schrillen Gezeter der Affen widerhallte.
Bei Dämmerung erreichten sie die Abbruchkante einer Steilküste. Gerade noch rechtzeitig , dachte Ash. Die Vorstellung, in der Dunkelheit im Sumpf umherzuirren und einem lauernden Krokodil direkt in den Rachen zu spazieren, hatte er wenig verlockend gefunden. Die Affen, die sie bisher begleitet hatten, blieben noch immer in der Nähe, hielten sich aber im Hintergrund, um
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