Asharas Rückkehr - 19
nicht fertig, das übersteigt meine Fähigkeiten.« »Nein, das glaube ich nicht. Besorge mir nur einen Handschuh, den ich über die Hand ziehen kann, dann komme ich schon zurecht. Was immer das ist auf meiner Hand - es besitzt Macht, aber nur, wenn man ihm Beachtung schenkt. Ich glaube, es ist ihre letzte Falle, und ich will verdammt sein, wenn ich sie gewinnen lasse!«
15
Einige Tage später war Margaret wieder auf den Beinen und wurde es gründlich leid, dass man so viel Aufhebens um sie machte. Sie konnte allein essen und sich ankleiden, und sie konnte Treppen steigen, ohne danach erschöpft zu sein. Aber jedermann behandelte sie wie einen Invaliden, bis sie sich vorkam wie ein Küken, dem ein ganzer Trupp Hennen gluckend hinterherrennt. Sie wollte ungestört sein, völlig ungestört. Es war bemerkenswert, wie schwer sich das in einem so großen Gebäude wie der Burg Ardais erreichen ließ.
Sie hatte das Erdgeschoss der Burg erkundet und ein Schlupfloch gesucht, wo sie allein sein konnte, und war dabei auf den Raum gestoßen, der als Bibliothek diente. Sie freute sich außerordentlich, dass eine solche auf Burg Ardais existierte, denn Bücher waren ihr immer noch die liebsten Gefährten. Zwar las sie an der Universität hauptsächlich am Computer, aber sie war mit gebundenen Büchern aufgewachsen. Die Thetaner stellten aus Seetang ein feines Papier her; eine kleine Industrie widmete sich der Produktion wunderschöner Bücher für Sammler solcher Dinge. Margaret hatte das Gefühl, ein Buch in der Hand zu halten, stets genossen, denn im Gegensatz zu Menschen waren Bücher zuverlässig.
Verglichen mit anderen Bibliotheken, war die hier eher kläglich, aber Margaret freute sich über die Ruhe in dem kleinen Raum und den leicht staubigen Geruch der Bücher und Lederrücken. Es war ein Gefühl von Behaglichkeit, Sicherheit und Vertrautheit, und sie stellte fest, dass sie dort ihren eigenen Gedanken nachhängen konnte und nicht an die Oberwelt und die Schrecken, die sie immer noch bereithielt, dachte. An einer Wand flackerte ein Feuer in einem kleinen Kamin. Ein einzelnes Bücherregal stand an der Wand gegenüber und
ein kleineres neben der Feuerstelle. Von den Regalen abgesehen, war der Raum nur spärlich möbliert, was nahe legte, dass ihn die Bewohner der Burg nicht viel benutzten. Es gab einen großen und bequemen Sessel, in dem Margaret nun mit einer Decke über den Knien saß. Der einzige andere Sitzplatz war eine gepolsterte Bank in der Fensternische. Das Fenster ging auf die Rückseite der Burg hinaus, auf einen kleinen Garten mit Blumen und einigen lärmenden Vögeln. Es tat Margaret gut, wieder Vogelgesang hören zu können, ohne dass sie sich unwohl fühlte, und sie verbrachte viele angenehme Stunden auf der Fensterbank, während sie die Blumen betrachtete und an nichts Bestimmtes dachte. Die Wände der Bibliothek waren nackt, bis auf eine mottenzerfressene Stickerei, die über dem Kamin hing und so dunkel vor Ruß war, dass man ihr Motiv kaum mehr erkannte. Aus der Staubmenge auf den Regalen und den etwas über vierzig Bänden, die sich in ihnen verloren, schloss Margaret, dass die Ardais keine großen Leser waren. Dennoch freute sie sich, überhaupt etwas zum Lesen zu finden, denn es waren die ersten Bücher, die sie seit ihrer Ankunft auf Darkover zu sehen bekam. Als sie die Titel studierte, wurde ihr klar, warum die Bücher nicht viel benutzt wurden. Die meisten waren Übersetzungen terranischer Lehrbücher von technischen Themen. Hier handelte es sich eindeutig um eine Arbeitsbibliothek, nicht um eine, die dem Zeitvertreib diente. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sich der junge Dyan Ardais mit Stickstoffdüngung in gemäßigten Klimaten von C. J. Bandarjee vergnügte oder wie Lady Marilla die vierhundert Seiten von Geburtshilfe: Ein Überblick las, und lächelte. Allein der Anblick der Bücher machte sie schläfrig. Aber sie fand eine Art Erinnerungsbuch und beschloss, dass das eine gute Lektüre war.
Was sie jedoch wirklich brauchte, war eine kurze Geschichte Darkovers - oder, noch besser, ein mehrbändiges Werk mit vielen Fußnoten. Sie verstand nicht recht, warum so etwas nicht existierte; andernfalls hätte es ihr Istvana mit Sicherheit gesagt. Es war nicht so, dass die Darkovaner kein Geschichtsbewusstsein hatten - das besaßen sie eindeutig, sie hatten nur noch nichts aufgeschrieben. Oder vielleicht gab es Aufzeichnungen in diesem Kloster, St.-Valentin-imSchnee, von dem sie ein paar Mal hatte
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