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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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der Traum als rasendes Gebell verkauft hatte, war nichts als ein dumpfes Knurren. Mowgli lag vor ihrem Bett, den Kopf nach oben gerichtet, und knurrte die Decke an. Sie folgte seinem Blick und nahm die Decke in Augenschein, als könne sie durch sie hindurch in den zweiten Stock schauen und erkennen, was den Hund alarmiert hatte. Für eine Weile verharrten Hund und Mensch in dieser Position. Dann, als habe er seine Warnmission zufriedenstellend absolviert, stellte Mowgli sein Knurren ein, legte den Kopf wieder auf den Boden und schloss die Augen.
    Es war ein Uhr nachts. Der Traum, beide Träume waren so intensiv, so greifbar gewesen, dass Laura sich scheute, sich wieder hinzulegen. Der Gedanke, wieder einzuschlafen, ängstigte sie plötzlich. Sie war immer mit einem gesunden Schlaf gesegnet gewesen   – Albträume waren ihr unbekannt. Selbst in der Zeit nach Lucilles Unfall hatte Laura sich auf die Wunderwirkung eines erholsamen Schlafes verlassen können. Umso schlimmer war es für sie, dass sie ihre Hochburg, den sanften Traum, der nicht nur die Gerechten ereilt, offenbar eingebüßt hatte. Zwei Nächte in Ashby House hattenvollbracht, was mehr als dreißig Jahre wilden, aufregenden Lebens zuvor nicht vermocht hatten. Der Schlaf war kein Hafen mehr.
    Sie öffnete eine Flasche Evian, trank einen Schluck, legte sich eine Felldecke um die Schultern, ging zum Kamin und warf ein paar Holzscheite in die Glut. Was hatte den Hund aufgestört? Sie schob den Gedanken beiseite, vermutlich gab es Ratten im zweiten Stock. Vielleicht hatte der Wind ein Fenster oder eine Tür zugeschlagen. Doch jetzt war gewiss nicht der richtige Zeitpunkt, um über Geheimnisse zu spekulieren, für die es ganz bestimmt rationale Erklärungen gab. Geben musste.
    Gern hätte sie ein Buch gelesen, aber sie wusste, dass sie die nötige Konzentration nicht würde aufbringen können.
    Ihr Blick fiel auf den Stapel DVDs, die sie am Nachmittag in Penzance gekauft hatte. ›The Others‹   – kein Wunder, dass sie von gespenstischen Kindern geträumt hatte. Doch diese Erklärung brachte auch nicht die ersehnte Erleichterung. Noch immer verursachten ihr die Traumbilder Beklemmungen. Sie nahm sich vor, am Vormittag eine Expedition in den zweiten Stock zu unternehmen, um die Geister zu verscheuchen, die ihr den Schlaf raubten. Für kurze Zeit spielte sie mit dem Gedanken, sofort hinaufzugehen. Aber im Wachzustand brachte sie weniger Mut auf als im Traum. Sie hatte zu viele Gruselfilme gesehen, in denen die Heldin mit einer Kerze um Mitternacht in Spukhäusern umherirrt. Selten eine gute Idee. Praktisch nie.
    Kaum hatte sie den Plan gefasst, den Geistern bei Tageslicht und mit Rationalität zu trotzen, ging es ihr besser. Eine kalifornische Sorglosigkeit (hätte sie einen Körper, ein Wesen, es wäre jenes der Belinda Carlise) keimte in ihr auf und brachte sie auf andere Gedanken. Wie von dünnen Fäden derLust, der Sehnsucht, der Neugier gezogen, machte sie sich langsam und leise auf den Weg ins Ankleidezimmer. Wie am Vorabend drang auch jetzt Licht durch die beiden Gucklöcher in der Wand. Steerpike lag auf dem Bett, bedeckt nur mit einem dünnen Laken, und rauchte eine Zigarette. Neben ihm schlief sein junger Freund. Irgendetwas an Steerpikes Haltung wies darauf hin, dass auch er in dieser Nacht nicht zur Ruhe kam: der Winkel, in dem sein Kopf auf der Nackenrolle ruhte, oder die Art und Weise, wie er mit der linken Hand den Ellbogen des rechten Armes umfasste.
    Entspannt sieht anders aus, dachte Laura sich.
    Da war es wieder! Der Hund reagierte sofort, und auch Steerpike zuckte erschrocken zusammen. Sein Blick wanderte nach oben. Ganz klar ein schleifendes Geräusch im zweiten Stock. Dann, o mein Gott, schaute er zu ihr, als könne er sie durch die Wand sehen. Unwillkürlich trat Laura einen Schritt zur Seite und riss dabei das Bild um, das früher einmal die Gucklöcher verdeckt hatte und nun laut umkippte. Hatte er sie gesehen? Doch das war jetzt egal, wieder wurde im zweiten Stock etwas über den Boden gezerrt.
    Lauras Neugier überflügelte ihre Angst, und sie ging zurück in ihr Schlafzimmer und öffnete die Tür zum Korridor. Ein paar Meter weiter öffnete sich ebenfalls eine Tür, und Steerpike stand mit einem Kerzenleuchter in der Hand auf dem Gang.
    »Was war das?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Mowgli schob sich an ihr vorbei, und sein beachtliches Gewicht ließ sie beinahe straucheln. Sie musste sich am Türrahmen abstützen, um nicht zu

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