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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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flog mit der Flasche förmlich um den Tisch.
    »Ich wollte gerade darum bitten, Steerpike, sehr aufmerksam.« Lucille leerte ihr halb volles Glas in einem Zug und hielt es Steerpike zum Nachschenken hin.
    Laura musterte die beiden erstaunt. »Wieso habe ich das Gefühl, dass ihr mir nicht antworten
wollt

    Doch Lucille hob nur die linke Augenbraue, und Steerpike blickte betreten auf seine einwandfrei polierten Stiefelspitzen.
     
    In dieser Nacht erwachte Laura nicht, sie befand sich in tiefen, schweren Träumen. Barfüßige Kinder tollten über die schneebedeckten Wiesen in Ashby Park. Sie trugen Blumenketten im Haar, lachten und warfen sich bunte Bälle zu. War ihnen gar nicht kalt? Sie fassten sich an den Händen und tanzten Ringelreihen. Der Wind riss ihnen die Worte von den Lippen und zerrte sie fort über den schiefergrauen Atlantik. Laura stand unter einer Trauerweide und wurde plötzlich sehr, sehr müde. Sie musste sich setzen. In den Schnee, er war gar nicht kalt   …
    Und dann träumte sie, dass sie träumte. In ihrem geträumten Traum tat sich wenige Meter vor ihr ein Erdloch auf, und Mowgli senkte seinen Kopf hinein. Er knurrte. Wie von einem unterirdischen Magneten angezogen, tanzten die Kinder zu diesem Erdloch, zuerst Lucy Gray, die ein reizendes und betörend duftendes Bouquet aus Maiglöckchen am Kragen ihres weißen Leinenkleides trug, dann Hindley, dann Edward. Die Namen der anderen Kinder   – es waren etwa ein Dutzend   – kannte sie nicht. Sie hielten sich an den Händen, tanzten um die Vertiefung und wurden schneller, schneller, immer schneller   … Die physikalischen Gesetze waren auf den Kopf gestellt, die Fliehkraft drückte die Kinder nach innen, nicht nach außen, und wieder war Lucy die Erste. Etwas griff nach ihr, etwas zog sie in den Kreis, ihre blonden Haare flatterten, der Maiglöckchenstrauß wurde von ihrem Kleid gerissen, verschwand in der Tiefe, Lucys Gesicht zeigte Bestürzung und Angst, die Füße voran fuhr sie hinab, das Letzte, was von ihr zu sehen war: eine blonde Haarsträhne.Die anderen Kinder tanzten weiter, angstvoll jetzt, doch unfähig, sich zu lösen, bis der Nächste in den Kreis stürzte und, von einer unsichtbaren Kraft angesogen, in die Tiefe sauste.
    Der Hund kam wieder in Lauras Blickfeld, er legte die Ohren an und starrte auf den Wirbel. Es waren keine Menschen mehr zu erkennen, nur noch eine rasende Masse, die um einen Punkt zirkulierte. Als begriffe nun auch der Letzte, dass das Spiel vorüber war, erhob sich aus dem Wirbel ein Schrei, kläglich, sehnend, voller Schmerzen, riss ab, wurde von einem saugenden, schmatzenden Geräusch übertönt. Ein weiterer Schrei, das bunte Tosen des Wirbels und dann das Gebell des Hundes, das Laura weckte.
    Sie befand sich in ihrem Schlafzimmer. Es war still. Etwas zog sie aus dem Bett, eine magnetische Kraft. Ohne ihre Schuhe anzuziehen, folgte sie diesem inneren Impuls. Sie brauchte das Licht nicht anzumachen, sie kannte den Weg. Dem Gang folgend, die Galerie entlang immer weiter bis zur Treppe, die in den zweiten Stock führte. Sie spürte nicht die Kälte an ihren Füßen, sondern schritt voran wie eine Schlafwandlerin. Setzte einen Fuß auf die erste Stufe und schaute nach oben. Dunkelheit.
    Sie betrat die Treppe, und die erste Stufe knarrte unter ihrem Gewicht. Langsam einen Fuß vor den anderen setzend, erklomm sie die Stufen. Etwas stieß an ihren Kopf, sie unterdrückte einen Schrei und duckte sich. Grauen erfüllte ihren ganzen Körper, bis sie entdeckte, dass sie lediglich gegen die Holzplatte gestoßen war, mit der der zweite Stock unzugänglich gemacht worden war. Etwas schien zu ihr zu reden, sie fühlte sich aufgefordert, in die Tasche ihres Morgenmantels zu greifen, und kam der Aufforderung nach. Ihre Hand umschloss Metall. Ein Schlüssel.
Der
Schlüssel. Mit zitternder Hand tastete sie nach dem Schloss, setzte denSchlüssel an, führte ihn ein. Er drehte sich mit einem Krächzen. Mit beiden Armen stemmte sie sich gegen die schwere Holzplatte und schob sie nach oben. Undurchdringliche Finsternis.
    Dann geschahen zwei Dinge auf einmal. Über ihr setzte ein ohrenbetäubender Lärm ein: Etwas   – ein Gegenstand, ein Wesen?   – schien mit großer Wucht auf den Boden zu fallen und auf ihren Kopf zuzurollen. Gleichzeitig setzte der Hund am Fuß der Treppe zu einem rasenden Gebell an.

KAPITEL 7
    Die zweite Traummauer war eingerissen worden. Nach Atem ringend fuhr Laura in ihrem Bett hoch. Was ihr

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