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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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die Vorhänge bewegte.
    »Es muss prachtvoll aussehen, wenn die Kuppel nicht zugehängt ist.«
    Steerpike schaute nach oben und nickte beeindruckt.
    An den Wänden hingen Reste einer silberdurchwirkten gelben Seidentapete, der Boden war mit Parkett ausgelegt   – Mäander waren sorgfältig in helleres Holz eingelegt.
    Laura schnippte gegen das Mikrofon ihres Headsets. »Lass es mich so sagen, Schwester: Manderley ist ein Scheiß im Vergleich zu dem hier. Und Donatella kann einpacken. Nicht schlecht, Lucille. Gar nicht schlecht!«
    Lucille antwortete nicht, sie war zu gebannt von den Bildern, die die Kamera einfing. Vor ihrem inneren Auge entzündete sie die Kristalllüster und bevölkerte den Raum mit Gestalten in Frack und Abendrobe, karpatischen Abgesandten, deren Röcke mit Epauletten zugepflastert waren, exotischen Prinzessinnen in fließenden Gewändern, dubiosen Diplomaten, die ihr rabenschwarzes Haar mit glitzernderPomade an den Schädel gelackt trugen, wankelmütigen, unberechenbaren Filmstars aus einer Ära, als die Stars noch rachsüchtige Gottheiten waren und ihre Behausungen Paläste oder Tempel der exquisitesten, verdorbensten Ausschweifungen.
    »Wo fangen wir an?« Auch Steerpike war auf den Geschmack gekommen.
    »Hier!« Laura wies auf eine Tür zu ihrer Rechten. »Haben Sie eine Ahnung, warum der zweite Stock verschlossen war?«
    »Ich dachte, wegen Baufälligkeit. Aber der Boden ist genauso solide wie der unten.«
    »Ich frage mich, wann das letzte Mal jemand hier oben war.«
    »Das scheint schon eine Weile her zu sein, schauen Sie sich den Staub überall an.«
    »Wissen Sie, was ich mich schon immer gefragt habe? Irgendwann kommt kein neuer Staub hinzu, dabei sollte man doch meinen, dass es immer mehr wird.«
    Die Tür war unverschlossen. Steerpike ging voran und öffnete die Vorhänge.
    »Das Meer!« Die Aussicht war atemberaubend. Hinter dem leuchtend weißen Park brach sich das Sonnenlicht auf der Wasseroberfläche, die funkelte wie Milliarden von Diamanten. »Wussten Sie eigentlich, dass alle Diamanten, die auf der Welt je zu Tage gefördert und geschliffen wurden, an einem Ort aufgeschüttet, nicht mehr als einen Doppeldeckerbus füllen würden?«
    Steerpike schaute sie mit einem Gesichtsausdruck an, der klarmachte, dass diese Information für ihn in die Rubrik »unnützes Wissen« fiel.
    »Ich meine nur so.« Sie schaute sich im Zimmer um. Der Raum war rundum mit Einbauschränken möbliert. Von derMitte des Zimmers erstreckte sich eine fast fünf Meter lange Anrichte bis zur Wand. Laura öffnete eine der Schranktüren und war beeindruckt. »Wahnsinn. Mehr Porzellan als im Weißen Haus! Und ich war da!« Sie nahm einen Teller heraus, drehte ihn um und schaute auf die Signatur. »Meissner!« Ins Headset sprach sie: »Wenn uns mal das Geld ausgehen sollte   – von dem, was hier in den Schränken steht, können wir ein Jahr leben.«
    »Ich nehme an, hier wurden Büfetts vorbereitet.« Steerpike insipzierte interessiert die Schränke.
    »Dann ist das da draußen tatsächlich ein Ballsaal?«
    »So scheint es. Wenn ich mich nicht täusche, dann werden wir dort an der Wand über der Anrichte einen Speisenaufzug finden. Wir sind über der Küche.«
    Laura öffnete eine Doppeltür an der beschriebenen Stelle   – und tatsächlich verbarg sich dahinter ein Lastenaufzug, in dem man bequem ein mehrgängiges Menü für zwölf Personen transportieren konnte.
    »In den Räumen auf der nach vorne weisenden Hausseite sind vermutlich die Dienstbotenquartiere.«
    »Dann gehen wir!«
    Sie ließen die Tür hinter sich geöffnet, sodass das Sonnenlicht auch in den Ballsaal scheinen konnte.
    »Ich komme mir vor wie auf dem Wrack der Titanic. Stellen Sie sich vor, Steerpike, wir sind seit fünfzig oder sechzig Jahren vielleicht die ersten Menschen, die hier oben sind.«
    Er lächelte sie an, wirklich freundlich, wie sie fand. Er hatte eines dieser Gesichter, die mit ernstem Gesichtsausdruck noch schöner sind. Das Lächeln machte ihn zugänglich   – das erste Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte. Selbst beim Sex hatte er eine kalte, harte Schönheit ausgestrahlt und nicht wie andere Menschen an Enigma eingebüßt.
    »Wissen Sie, was seltsam ist?« Sie wartete keine Antwort ab. »Es kommt mir vor, als sei dieses Geschoss größer als die beiden unteren. Aber das kann doch gar nicht sein.«
    »Es wirkt vermutlich so, weil der Ballsaal so leer ist.«
    »Für mich sieht es aus, als ob allein schon der Ballsaal

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