Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Lampe wurde zu einem fahlen Leuchten, das immer näher rückte. Sie wich zurück wie eine Krabbe, stolperte dabei über Daniel. Sie hörte, wie Daniels Atem ungleichmäßiger wurde, und einen Sekundenbruchteil lang dachte sie, jetzt wäre vielleicht der rechte Zeitpunkt, um lauthals zu schreien, solange sie noch konnte. Blödsinn. Niemand würde sie hören, niemand würde ihr helfen, und sie war ohnehin viel zu tief unten. Die Einzige, die sich vielleicht für Leopards Treiben interessierte, war Spinne, und die war wohl gerade irgendwo anders beschäftigt. Vielleicht filetierte sie die Steaks für die Kantine.
Der Lichtstrahl strich durch den Gang wie ein Suchscheinwerfer und fixierte sie. Sie blinzelte, schirmte die Augen mit der Hand ab, konnte aber nichts erkennen. Einen Moment lang wanderte das Licht von ihr weg zu Daniel, der kaum eine Reaktion zeigte. Seine Lider flackerten, und sein Kopf drehte sich; er schluckte. Aber das war alles. Keine Hilfe von ihm oder irgendjemandem sonst. Der Lichtkegel kehrte zu ihr zurück und richtete sich gute fünf Sekunden lang auf sie. Jetzt, da sie wusste, was sie zu erwarten hatte, wappnete sie sich dagegen, noch einmal geistig wegzudriften wie vorhin, aber das Monster stellte sich entweder tot, oder sie hatte es diesmal tatsächlich im Griff. Jedenfalls geschah nichts. Wenn sie die nächsten zehn Minuten überlebte, kam sie womöglich sogar dahinter, warum es überhaupt passiert war.
Ein Klicken .
Völlige Finsternis. Alles, was sie sah, waren purpurrote Nachbilder von Leopards Kopf und der Umrisse seiner Uzi. Ob sie wohl an die Waffe rankam? In ihren Ohren klingelte es. Sie hörte ein leises Rascheln, ein Wispern von Stoff und Leder, dann das Wetzen von Metall auf Stein. Er legt sein Gewehr ab. Seine Stiefel knirschten. Er kam näher.
Sie war in die Hocke gegangen. Die räumlichen Verhältnisse ließen sich leicht überblicken. Rechts von ihr war Daniel; Leopard kam von vorne links – weil er Rechtshänder war, hatte er die Uzi so getragen, dass er sie über die rechte Schulter ablegen konnte. Folglich war seine Waffe links von Alex. Eine Waffe weniger. Aber normalerweise trug Leopard auch diese Glock im Hosenbund. Hatte sie die heute schon gesehen? Sie konnte sich nicht erinnern.
Sie spürte, dass er sich auf sie zu bewegte. Sein Geruch war überwältigend, wie kochender schwarzer Nebel, sein Atem stoßweise und sauer vor Erregung.
Klick. Licht, grell und gleißend, schien ihr direkt in die Augen. Die Helligkeit war so intensiv, dass sie sich wie Nadelstiche anfühlte, und Alex spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen.
Leopard war nur noch drei Meter von ihr entfernt, nicht mehr, und er musste eine Entscheidung treffen. Wenn er immer noch wollte, was sie einen Augenblick lang gesehen hatte, dann brauchte er beide Hände. Ein Mädchen, das sich wehrte, ließ sich kaum mit einer Hand bezwingen. Also würde er die Lampe entweder abschalten oder sie hinlegen, damit er die Hände frei hatte. Bestimmt legte er sie ab. Nach allem, was sie mitbekommen hatte, brauchten die Veränderten nicht unbedingt Licht, aber sie glaubte, dass er die Taschenlampe mitgebracht hatte, damit sie, Alex, verstand, was er vorhatte, oder vielleicht wollte er sie nicht nur spüren, sondern auch sehen lassen, was er mit ihr machte. Oder er ließ das Licht einfach aus Gewohnheit an. In seinem früheren Leben war Leopard vermutlich der Typ gewesen, der gern zuschaute.
Dann sorgte Leopard für eine Überraschung. Er tat einen Schritt nach rechts, ohne sie aus den Augen zu lassen, und klemmte die Taschenlampe in Hüfthöhe zwischen zwei Holzpfeiler. Schlau. So wurde sie vom Licht geblendet, und er hatte es im Rücken. Aber als er sich bewegte, fiel ihr Blick auf seine Taille, und sie sah, was sie sehen wollte, weil Leopard keine Jacke trug. Schließlich war es im Bergwerk ziemlich warm, und er rechnete wohl damit, ins Schwi…
Plötzlich war er da, so schnell, dass ihr keine Zeit blieb, aus der Hocke aufzuspringen, ihm das Knie in die Hoden zu rammen oder ihre Daumen in seine Augen zu drücken. Eben noch war er drei Meter weg, im nächsten Moment stieß er sie schon zu Boden. Ihr Kopf prallte gegen Stein. Der Schmerz war wie eine Explosion und drückte ihr die Luft aus der Lunge.
Um Atem ringend bäumte sie sich auf und schlug um sich, als er sich rittlings auf sie setzte: Sein Gewicht presste ihren Brustkorb nach unten, mit den Händen versuchte er, ihre Arme zu packen. Da sauste ihre
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