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Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Titel: Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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vorausgesetzt, ich lebe lang genug. Es ist wie mit der Angst. Wie lange kann man Angst empfinden, bevor man abstumpft? »Was uns nicht umbringt, macht uns stark? Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her?«
    »Nö.« Sharon leckte sich die Hand ab, bevor sie sich eine weitere Gabel wurmartiger Nudeln in den Mund stopfte. »Du denkst, schlimmer kann’s nicht kommen? Schlimmer geht immer!«
    An jenem ersten Samstag übernachteten sie dort – ein ungewöhnlicher Aufschub, wie Alex später erfuhr. Normalerweise brachen die Veränderten in der Dämmerung stets wieder auf. Insgeheim vermutete Alex, die Pause könnte etwas damit zu tun haben, dass Spinne sich von ihren Blessuren erholen musste.
    Am Sonntag ging es dann beim letzten Tageslicht weiter. Die dichte Wolkendecke hatte auch am Nachmittag den Himmel verhangen, und die Nacht war pechschwarz. Mangels Sternen konnte sie nur raten, in welche Richtung sie gingen, aber sie glaubte, dass es noch immer Nord oder Nordwest war.
    Noch eine Besonderheit: Die Veränderten benutzten oft Taschenlampen und Laternen, aber immer nur zwischendurch. Während Alex und die anderen sich abmühten und ständig stolperten, bewegten sich die Veränderten schattengleich und relativ behände durch den Wald. Wie Panther, dachte sie, oder Wölfe. Aus dem Biologieunterricht an der Highschool wusste sie, dass die Augen nachtaktiver Tiere anders funktionierten, sie wusste nur nicht mehr genau, wie. Dass sie diese Fähigkeit besaßen, warf eine weitere Frage auf: War die Veränderung der Veränderten abgeschlossen.
    Alles in allem marschierten sie – laut Ellies Micky-Maus-Uhr – bis drei Uhr am Montagmorgen und legten dabei rund zehn Kilometer zurück, ehe sie ein weiteres Lager aufschlugen. Diesmal hatten sie kein Dach über dem Kopf. Pickel und Schmissie banden die Gefangenen aneinander und fesselten sie zudem an drei mächtige Eichen, dann machten sie sich auf die Jagd. Wolf, wieder in sein Wolfsfell gehüllt, führte die Gruppe an. Nur Spinne blieb zurück und hockte am Feuer, während Alex und die anderen sich in den Schnee gruben und warteten.
    Als die Veränderten in der Morgendämmerung zurückkehrten, brachten sie neue Gesichter mit: eine käsige Frau und einen vierschrötigen Mann mit der Figur eines Hydranten, der sich später als Otis vorstellte. Die Frau hieß Claire, doch es war Otis, der ihnen ihren Namen verriet. Denn kaum fünf Minuten nach der Rückkehr der Veränderten machte sich Wolf mit seinen Zähnen ans Werk, und dann war es für Claire zu spät, sich mit den anderen bekannt zu machen.
    Am Mittwoch, dem fünften Tag, dachte sie, ihr letztes Stündlein habe geschlagen.
    Mittlerweile hatte sich Spinne so weit erholt, dass sie sich wieder persönlich die Ehre geben konnte. Als sie zwischen den Gefangenen umherstreifte, fasste sie Alex lange ins Auge. Spinnes Hass war so offensichtlich, dass man ihn auch ohne sechsten Sinn wahrnehmen konnte. Während die anderen aber schon beim kleinsten Blickkontakt zusammenzuckten, hielt Alex stand. Ja, sie genoss Spinnes Anblick sogar. Ihr Gesicht sah fürchterlich aus. Kein kesses kleines Stupsnäschen mehr, und all die kieferorthopädischen Korrekturen dahin. Ihre blauen Flecken hatten eine ungesunde grünlich-schwarze Färbung angenommen, und ihre linke Wange war so geschwollen, dass von dem Auge nur ein silbriger Schlitz zu sehen war.
    Wenn sie mich losmachen, schlag ich zu. Alex spannte sich an und ging im Geiste die Bewegungsabläufe durch. Ich laufe auf sie zu, ducke mich unter dem Messer durch und …
    Im nächsten Moment stach ihr ein harzartiger Geruch in die Nase, und sie dachte: Oje . Ihr Blick wanderte zentimeterweise nach links, und ihr Herzschlag setzte aus.
    Wolfs Miene gab nichts preis, doch sie bemerkte, wie seine Kiefermuskeln zuckten und sich die Narbe rhythmisch bewegte. Um ihn herum schienen Funken zu sprühen. Der Gestank von etwas Verschmortem lag in der Luft, wie ein anhaltender Ozongeruch nach einer elektrischen Entladung. Spinne straffte die Schultern, während die anderen Veränderten abwechselnd von ihr zu Wolf schauten.
    Sie kämpfen darum, wer mich kriegen soll, dachte Alex verzweifelt. So oder so bin ich erledigt . Sie sog die Wangen ein, ihr Mund fühlte sich an wie ausgedörrt. Nachdem sie miterlebt hatte, wozu Wolf imstande war – und wie er es genoss – , sah sie jetzt keinen Ausweg mehr. Spinne mit einem Kopfstoß zu überrumpeln und sich das Messer zu schnappen war

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