Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
mit dünnem Eis, nur wenige Zentimeter dick, gesäumt waren. Genau wie Tom es sich gedacht hatte. Perfekt. Immer langsamer tuckerte er dahin und beobachtete dabei, wie sich das Dunkel aufhellte, von Grau über Blau bis Silber, während das Dröhnen des Schneemobils immer lauter wurde …
Jetzt! Er trat voll aufs Gas. Der Motor röhrte, und der Spitfire pflügte übers Eis, rhythmisch schlug der Rumpf auf wie ein flacher Stein, den man schräg in einen Teich wirft. Da tat es einen gewaltigen Platscher, und mit einem Mal war er auf offenem Wasser. Ringsum spritzte kaltes Nass auf, doch er raste unbeirrt weiter geradeaus und machte sich auf den jähen Sprung gefasst, der zwangsläufig kommen würde, wenn der Schlitten wieder auf festen Schnee und Eis traf. Er betete, dass das halsbrecherische Tempo für eine glatte Landung reichte und sein Gewicht, das des Gepäcks und des Hundes wettmachte. Himmel, der Hund! Hoffentlich war Raleigh schlau genug, sich flach hinzulegen, sonst würde ihn die Wucht des Aufpralls –
Der Bug des Spitfire knallte mit einem Ruck und einem Satz aufs Eis, dann lag der Graben hinter ihm, und er jagte weiter. Der Untergrund wurde spürbar härter und weniger holprig. Eine scharfe Rechtskurve, der Luftstrom verebbte, und Tom brachte den Schlitten nach einer Hundertachtzig-Grad-Drehung zum Stehen.
»Platz, Raleigh!« Er schaltete den Motor aus, schnappte sich sein Gewehr und entsicherte es, während er herumschwenkte, schussbereit …
Gerade als das Schneemobil einbrach.
33
Was zum Teufel wollen die denn?« Ray schaute nach links und rechts. »Was geht hier vor?«
Niemand antwortete ihm. Die Veränderten hatten sich rings um sie zusammengeschlossen. Alex und die anderen mussten direkt vor Daniel Aufstellung nehmen, der noch immer von zwei Ninja-Kids flankiert wurde. Ein anderer hielt Jack am Genick fest. Neben dem Jungen stand Spinne, ganz locker und geschmeidig, das Feldmesser in der Hand. Jacks Angstgeruch – nach saurer Milch und heißem Urin – war so stark, dass Alex ihn förmlich schmecken konnte.
Pickel drängte sich nach vorn, gefolgt von Beretta und Leopard. Auch wenn man Beretta seine Schmerzen ansah, ging er jetzt mit festerem Schritt. Sein Gefahr -Geruch ließ Alex’ Herzschlag schier aussetzen. Pickel hielt zwei Waffen in den Händen, seine eigene – einen Gasdrucklader – und eine, die Alex auf Anhieb erkannte: die Browning X-Bolt, die Nathan ihr vor ihrer halsbrecherischen Flucht aus Rule gegeben hatte.
Jetzt war sie auch nahe genug, um einen Blick auf die Faustfeuerwaffe zu werfen, die in Leopards Hosenbund steckte. Eine Glock würde sie immer und überall erkennen.
»Was wollt ihr von mir?«, fragte Daniel. Nur mühsam hielt er sich auf den Beinen. Zusammengekrümmt stand er da, einen Arm an die Seite gepresst. »Ich habe euch doch gesagt, ihr könnt mich haben. Ich kämpfe nicht mehr gegen euch. Aber lasst Jack gehen.«
Beretta starrte Daniel lange an. Dann trat Pickel vor und streckte dem Jungen die Browning entgegen.
»Was?« Daniel beäugte das Gewehr, als hielte ihm Pickel eine Python hin. »Das nehme ich nicht. Sucht ihr einen Vorwand, mich zu erschießen? Okay, wenn ihr mich umbringen wollt, tut es einfach, aber … «
»Kapierst du es nicht, Junge?« Sharons Ton war nüchtern. »Du kannst es dir aussuchen: Erschieß einen von uns, oder sie schneiden dem kleinen Jackie die Kehle durch.«
Alex’ Mund wurde trocken. Sie konnte riechen, dass Sharon die Sache auf den Punkt gebracht hatte: Wie du mir, so ich dir. Gibst du mir dies, gebe ich dir das, und dann sind wir quitt.
»Was?«, sagte Ray und schob Ruby hinter sich. »Was zum Teufel soll das?«
»Daniel.« Jacks Augen waren angstgeweitet. »Daniel, Daniel, Daniel … «
»Das mache ich nicht«, keuchte Daniel. Ein heftiger Schauder überlief ihn, und einer der Ninjas stützte ihn, damit er nicht hinfiel. Mit einem unterdrückten Fluch schüttelte Daniel ihn ab. »Ihr könnt mich nicht zu einem von euch machen. Ich bin kein Mörder!«
»Na ja, die finden das anscheinend schon«, stellte Sharon ungerührt fest. Wenn das Schicksal sprechen könnte, dachte Alex, müsste es die Stimme dieser alten Frau haben. »Was immer du und deine Freunde gemacht haben, sie sind sauer auf euch, und das zahlen sie dir jetzt heim.«
Nein, es geht nicht nur ums Heimzahlen. In der Luft ballte sich förmlich der Gestank der Veränderten, der Toten und ihrer Mitgefangenen – und jetzt auch der von Daniels Entsetzen und
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