Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Beretta im hintersten Zimmer links. Es ging also nicht um ihn. Sie kamen an einem Tisch mit Zierdeckchen, allerhand Nippes und gerahmten Fotos vorbei. Auch hier waren Schlafzimmer. Spinnes Geruch erkannte sie sofort, sogar durch die geschlossene Tür. Aus dem Mix der Ausdünstungen, die sie auffing, schloss sie, dass noch zwei andere bei Spinne waren, und einer, meinte sie, könnte …
Wie aufs Stichwort drehte sich der Türknauf, und Spinne und Leopard tauchten auf. Spinnes blonde Mähne war zerzaust, und Leopard hatte den Arm um ihre Taille gelegt. Beide waren splitterfasernackt und stanken nach Sex und Müll. Als Leopard Alex bemerkte, sah er sie anzüglich an, taxierte sie genüsslich von Kopf bis Fuß. Wie Sharon gesagt hätte, war es sonnenklar, was der Junge im Sinn hatte.
Scheiße. Alex blieb das Herz stehen. Mein Gott, bitte, ich kann wirklich auf so einen kleinen Abstecher verzichten, herzlichen Dank. Konzentrier dich auf was anderes, irgendwas anderes. Sie heftete den Blick auf das Loch in Spinnes Wange und starrte angestrengt – ein Wunder, dass Spinnes Gesicht nicht in Flammen aufging.
Aber Spinne lächelte nur, und das war irgendwie viel schlimmer, weil ihr Lächeln so träge und selbstzufrieden war, dass Alex fast damit rechnete, dass das Mädchen zu schnurren anfing. Zugleich war es ein hämisches Feixen, das jedes Kind schon hundertmal auf den Lippen des beliebtesten Mädchens der Schule gesehen hatte: In deiner Haut möchte ich nicht stecken.
Einen Moment später, Spinne und Leopard hatten die Tür wieder geschlossen, führte Schmissie sie ganz ans Ende des Flurs. Auch hier waren die Gerüche heftig: der Schweiß eines Jungen und sein Blut und …
Mein Gott. Ihr Herz wollte zerspringen, und ganz kurz wurde der leicht metallische Nachgeschmack von vorfabrizierter Spaghettisoße so widerlich, dass ihr die Galle hochkam.
Weil sie jetzt genau zu wissen glaubte, warum Spinne gelächelt hatte.
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S chmissie ging gleich wieder, wahrscheinlich lief sie die Treppe runter, um sich einen zu genehmigen, sei es Alkohol oder einen Kerl, jedenfalls um nachzuholen, was sie versäumt hatte. Dass sie sie allein ließ, hätte Alex die Angst nehmen können – hier gibt’s nichts zu sehen, Leute, weitergehen – , aber Alex spürte die Spannung auf ihrer Haut kribbeln wie eine elektrische Ladung.
Nur nicht aufregen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, dankbar für das Salz auf ihrer Haut. Alles war besser als der eklige Speichelschaum auf ihrer Zunge. Vielleicht ist gar nichts. In diesem Haus sind so viele von denen, der Gestank ist überall.
Das Zimmer hatte einem Jungen mit einem vielseitigen Geschmack gehört. Ein Poster von LeBron James hing neben einem von Derek Jeter. Ein Baseballhandschuh lag neben Tennisbällen. In einer Ecke stand eine rot-weiße E-Gitarre. An einer Schranktür klebte ein Bild von einem Drummer, den sie nicht kannte und der bei einer Band spielte, die ihr auch kein Begriff war.
Daniel lag, an das Kopfbrett gelehnt, auf dem Bett, inmitten blau-braun-gestreifter Laken, die von seinem Blut dunkelrot gefärbt waren. Auf dem Nachttisch zischte eine Kerosinlampe. In dem harten weißen Licht waren die Ringe unter seinen Augen schwarz. Sein Blick richtete sich irgendwo in die Ferne, und als sie seinen Namen sagte und sein Gesicht berührte, reagierte er nicht. Seine Haut war wächsern und schweißnass.
Die Wunde saß tief an seiner linken Seite, ein glatter Durchschuss – wahrscheinlich der Grund, warum er überhaupt noch lebte. So behutsam sie konnte, reinigte sie seinen Bauch, von dem sich das verkrustete Blut in großen Fetzen löste. Sie spritzte Peroxid auf die dunkelroten Einschussränder. Die Flüssigkeit zischte und bildete blubbernd rosa Schaum. Darauf reagierte Daniel. Seine Lider flackerten, und ein Ausdruck des Entsetzens huschte über sein Gesicht. Sein Blick wandte sich kurz von dem Schreckensbild ab, das er sah, und streifte ihr Gesicht.
»Hey«, sagte er.
Das holte sie ins Hier und Jetzt zurück. Da war Daniel, und er brauchte ihre Hilfe. Außerdem ging ihr ständig durch den Kopf, was Daniel draußen im Schnee gesagt hatte: Ihr habt versprochen, ihr lasst ihn gehen. Wenn Daniel die Veränderten tatsächlich verstand und mit ihnen reden konnte, war das allein das Risiko wert.
»Hey«, antwortete sie. »Kannst du dich auf die Seite drehen? Ich möchte deinen Rücken sauber machen. Ich glaube, dass es ein glatter Durchschuss war, aber ich will
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