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Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Titel: Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Schultern vor Schluchzen bebten, hätte sie ihn am liebsten in die Arme genommen, wusste aber nicht, ob er das wollte und ob es überhaupt richtig wäre. Sie hatte einen Jungen noch nie so weinen sehen. Jedenfalls nicht, seit sie in der ersten Klasse Scott Rittenhouse mehr oder weniger versehentlich vom Klettergerüst gestoßen hatte. Daniels jämmerliches Weinen schnitt ihr wie eine Säge ins Herz, und er weinte lange.
    »T-tut mir leid.« Seine Stimme war nur mehr ein Hauch. Er hat sich ausgeheult , dachte sie. »Könntest du eine Weile bei mir bleiben?«, bat er mit seiner brüchigen Stimme. »Ich will nicht mit denen allein sein.«
    Sie dachte an Sharon und Ruby im Gästehaus. Wenn sie Glück hatten, würde Ruby bis zum Morgen durchschlafen. Danach – was sollte sie da noch für sie tun, außer ihr Antibiotika und Schmerzmittel zu geben und zu hoffen, dass ihr Arm heilte?
    »Ich bleibe, solange sie mich lassen«, versprach Alex. »Versuch zu schlafen.«
    »Ich will nicht schlafen. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich Jack. Ich s-sehe … «
    »Schsch, ist schon gut«, sagte sie und kam sich dabei selber total bescheuert vor. Gar nichts war gut. Sie legte die Hand auf seinen Arm. Er zitterte, und in seinen glänzenden Augen lag Verzweiflung. Zu spät fiel ihr ein, dass sie die Schmerzmittel bei Sharon und Ruby zurückgelassen hatte. Vielleicht wäre es ja besser und gnädiger, wenn er tatsächlich für immer einschlief.
    Was sind das für Gedanken? Über so etwas habe ich nicht zu entscheiden.
    »Alex.« Er zitterte, als hätte er Schüttelfrost. »Ich habe Angst vor dem Schlaf. Wenn ich einschlafe, was finde ich dann beim Aufwachen vor?«
    »Du bist einfach nur müde«, sagte sie. »Und verletzt.«
    »Ich will sterben«, entgegnete er erbittert. »Wenn ich eine Pistole hätte, würde ich mir das Hirn wegblasen. Ich w-würde mich umbringen, aber ich bin ein F-Feigling, und jetzt ist Jack … «
    Diesmal hielt sie ihn fest, als er weinte. Er hatte immer noch jede Menge Tränen.
    Schließlich spürte sie, wie die Spannung aus seinem Körper wich und er eindöste. Schlaf war doch eine Gnade, dachte sie. Insgeheim glaubte sie zu wissen, warum die Veränderten ihn behalten hatten. Sie konnte sich aber auch irren. Vielleicht brachte es etwas, wenn sie bei ihm blieb.
    Weil es keine Gewissheit gibt. Das sehe ich doch an mir selbst. Sie hatte es am Gesicht ihrer Tante abgelesen und aus dem optimistischen Gedöns ihres Arztes herausgehört: Beide wunderten sich, dass sie so lange durchgehalten hatte. Mit diesem Monster, das in ihrem Kopf lebte, hätte sie nach menschlichem Ermessen längst tot sein müssen. Wer immer gesagt hatte: »Die Hoffnung stirbt zuletzt«, hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
    Da war allerdings noch etwas, was sie herausfinden musste. Weil es wichtig sein könnte. Und ihr vielleicht ein Hinweis darauf gab, was mit ihr passierte. Vielleicht aber auch nicht.
    »Daniel«, flüsterte sie. Sie sah seine Lider zucken. »Daniel, bist du noch wach?«
    Ein heiseres Murmeln. Seine Augäpfel rollten unter den Lidern. »Mmm … «
    Sie rückte heran, bis ihre Lippen sein Ohr berührten. »Daniel, du hast gesagt, sie hätten dir versprochen, Jack gehen zu lassen. Woher wusstest du das, Daniel? Haben sie mit dir gesprochen?«
    Er antwortete nicht, und sie dachte schon, es wäre zu spät, er wäre schon zu weit weg. Dann knarrte eine Bettfeder, er rührte sich. »Nein«, murmelte er. Die Augen hatte er noch geschlossen, aber er schluckte schwer, und seine Zunge fuhr über seine Lippen, während er zu sprechen versuchte. »Keine Ahnung.« Pause. »Vielleicht.«
    Keine Antwort, mit der man etwas anfangen konnte. »Wie ist es mit dem Geruch? Kriegst du es so mit? Kannst du sie riechen? Daniel?« Sie strich ihm über die Wange, zögerte, ihn wieder in das Grauen zurückzuholen, das der Schlaf wenigstens vorübergehend verschleiern würde. Aber sie musste es unbedingt wissen. »Daniel, was riechst du?«
    Diesmal war es eine lange, eine richtig lange Pause.
    »Dich«, sagte er.

47
    M icky Maus zufolge schlurfte um sieben Uhr Schmissie herein, um sie zu holen. Inzwischen war es in dem Zimmer heller geworden, durch die Ritzen der Jalousien sah Alex, dass es noch schneite. Fünf Stunden lang hatte sie in einem unruhigen Dämmerschlaf gelegen, war immer wieder aufgewacht. Ihr ging zu viel durch den Kopf, ihre Gedanken sprangen wie Grashüpfer umher. So mies sie sich auch fühlte, zog sie doch eine gewisse

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