Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
nur H-Q und C-Y mit : Hauptquartier und wahrscheinlich Chucky. Der Rest sagte ihm nichts. Aber unabhängig davon, ob Peter den Morsecode verstand oder nicht, wusste er allmählich Finns Laune zu deuten; der finstere Blick sprach Bände.
»Sch-sch-schlecht…« Seine schon vorher trockene Kehle machte dicht, und er begann krampfartig zu husten. Jeder Atemzug fühlte sich an, als würde ihm jemand Dolche zwischen die Rippen bohren.
Seit zwölf Tagen war er in Gefangenschaft. Erst vor anderthalb Tagen hatten sie angefangen, ihm diese Riesenpillen zu geben, die hoffentlich gegen die Lungenentzündung halfen. Aber jetzt befürchtete er eher das Gegenteil. Die Spritzen, die sie ihm verpassten, taten ihm vermutlich auch nicht gut. Nach der Farbe zu urteilen – eklig gelb, kalkweiß, leberbraun –, beförderten ihn die Injektionen wohl nur umso schneller ins Jenseits. Peter spuckte einen dicken grünen Batzen aus Schleim und Speichel in eine bereits zu einem Drittel gefüllte Nierenschale. Dass hellrote Blutstreifen darin waren, überraschte ihn nicht im Geringsten. Auch sein Fieber stieg wieder. Ihm war höllisch heiß, und gleichzeitig zitterte er. Was ihn wunderte, war, dass die Schusswunde langsam heilte und die blauen Flecken sich in ein blasseres Gelbgrün verwandelten.
Erschöpft von seinem Hustenanfall sank er in sein schweißnasses Kissen zurück und unternahm einen zweiten Versuch: »Sch-schlechte N-Nachrichten?«
»Sagen wir mal, du bleibst auf absehbare Zeit unser einziger normaler Gast.« Finn sah Grier an. »Kann man ihn verlegen?«
»Ich … äh … « Grier war ein kleiner, zart gebauter Typ und arg kurzsichtig. Er griff nach der Nierenschale, ließ sie kreisen, betrachtete zwinkernd ihren Inhalt und meinte achelzuckend: »Könnte nicht schaden.«
»Gut.« Finn gab Steiner, der neuesten Wache, fingerschnippend eine Anweisung. Vor zwei Tagen hatte Peter seine Chance gesehen und sich Lang vorgenommen. Wenige kostbare Sekunden, aber mehr brauchte Peter nicht. Nachdem er aus Langs Gesicht Hackfleisch gemacht hatte, legten sie ihm wieder Hand- und Fußfesseln an. Das war in Ordnung. Lang die Fresse zu polieren war es wert gewesen. Peter wünschte sich nur, Weller wäre auch da gewesen.
»Bringt ihn weg«, ordnete Finn an. »Aber vorher besorgt ihr ihm warme Sachen.«
Steiner und zwei andere Wachleute kamen mit einem Bündel Kleider zurück, solche wie sie selbst sie trugen: Hose und Hemd, Socken und Unterwäsche, ein dicker Pullover, alles in Olivgrün, und sogar ein tarnfarbener Parka mit Rollmütze. Außerdem gaben sie ihm seine alten Stiefel zurück, an denen rostfarbenes Blut klebte: seines, Fables, Tylers. Peter war so schwach, dass seine Finger zitterten, als er versuchte, die Knöpfe zu schließen; Steiner musste ihm helfen.
»W-wohin?«, keuchte er. »Wohin bringt ihr … «
»Kann ich nicht sagen«, murmelte Steiner, aber Peter sah den feinen Schweißfilm, der sich auf der Oberlippe des Wachmanns bildete. »Du kannst es immer noch schaffen.«
»Was?« Er verdrehte den Kopf, bis er Grier entdeckte, der ein paar Schritte von ihm entfernt die Hände in den Taschen seines Arztkittels vergrub. »Warum?«
»Ist nicht meine Entscheidung«, sagte Grier. Seine Stimme klang wie die Parodie eines alten Farmers mit Nickelbrille und Heurechen. »Damit hab ich nichts zu tun.«
Bisher hatte Peter noch nie das Gefühl gehabt, Angst haben zu müssen. Dass sie ihn hinrichten würden, glaubte er nicht; Finn meinte, er sei wertvoll, und Peter war sicher, dass er noch nicht das letzte von Finns kleinen Experimenten über sich hatte ergehen lassen. Also leistete er keinen Widerstand. Andererseits fehlte ihm ohnehin die Kraft dazu. Er war so wacklig auf den Beinen, dass Steiner und der andere Mann ihn praktisch aus dem Zelt trugen.
Es war das erste Mal, dass Peter aus der Krankenstation herauskam. Wäre es ihm gut gegangen, hätte er sich rechts und links umgeschaut und sich die Umgebung eingeprägt, für alle Fälle. Nach vier Tagen schien sich der Sturm endlich zu legen, obwohl immer noch Schnee runterkam. Viel sah er nicht: eine Handvoll durchhängende Zelte, ein paar stabiler wirkende, verschneite Hütten. Eine schwarze Wand aus Bäumen hinter einem Schleier aus Schneegestöber. Ihm fiel ein, dass er nicht einmal wusste, ob er noch in Michigan war. Ein Sturm konnte sich in der Nähe der Great Lakes lange halten. Als sie ihn fanden, war er schon ziemlich hinüber, konnte also sein, dass Rule gar nicht weit
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