Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
Rückens an ihrer Brust.
Während des kurzen Rückwegs schwiegen sie. Vor Jess’ Haus stieg sie ab und sah zu ihm auf, konnte in der Dunkelheit aber auch jetzt sein Gesicht nicht erkennen. »Möchtest du nicht noch ein bisschen reinkommen?«, fragte sie schließlich. »Ich habe noch nicht zu Abend gegessen, und ich bin mir sicher, dass Tori einen Teller für mich beiseite gestellt hat. Das macht sie immer.«
»Ich möchte dir nicht deine Mahlzeit wegessen«, meinte er.
»Das ist schon in Ordnung«, erwiderte sie. »Es ist bestimmt genug für uns beide da.«
Gerade als Alex auf den kleinen Treppenabsatz vor der Küche trat, öffnete Jess die Tür. »Dachte ich’s mir doch, dass ich euch draußen gehört habe. Kommt rein, ehe ihr euch erkältet. Hallo, Christopher.«
Alex sah, dass sich alle, in Bademänteln und Pantoffeln, versammelt hatten. Auf dem Küchentisch lagen Wollknäuel und eine Menge Stricknadeln verstreut. Ghost hüpfte herbei, wuselte um Alex’ Beine herum und winselte um Aufmerksamkeit.
»Jess. Hi, Tori, Sarah«, erwiderte Chris, der nach ihr hereinkam.
»Chris …« Alex hörte die Verwunderung in Toris Stimme und merkte, wie Toris Blick zwischen ihr und Chris hin- und herschoss. »Jess bringt uns gerade bei, wie man die ersten Maschen aufnimmt.«
»Cool.« Er nickte Lena zu. »Hi.«
»Hi«, antwortete Lena. Ihr üblicher säuerlicher Geruch blieb unverändert.
Tori war im Begriff aufzustehen. »Alex, wir haben einen Teller für dich im Herd und …«
»Sie findet sich selbst in der Küche zurecht«, unterbrach Jess sie und räumte Wolle und Stricknadeln weg. »Kommt, lassen wir die beiden in Ruhe essen.«
»Können die das ganz alleine?«, warf Lena sarkastisch ein.
»Sei nicht immer so gemein«, sagte Sarah.
»Chris, möchtest du ein Brot mit nach Hause nehmen? Wir haben mehrere Laibe in der Speisekammer.« Tori wollte schon wieder losrennen. »Warte, ich bring …«
»Darum kann sich Alex kümmern«, entgegnete Jess. »Wie Lena es auszudrücken beliebt, ist sie ja nicht behindert. Alex, in dem Kessel dort ist noch heißes Wasser, und Tori hat einen sehr leckeren Kuchen gebacken.«
»Gedeckter Apfelkuchen«, ergänzte Sarah. Und mit einem prüfenden Blick auf Chris: »Den magst du doch am liebsten, nicht?«
»Ja«, antwortete Chris. »Ähm, danke, Tori.«
»So, kommt jetzt, wir schüren das Feuer im Wohnzimmer wieder an«, sagte Jess, scheuchte die anderen Mädchen hinaus und schloss die Durchgangstür zum Wohnzimmer hinter ihnen. Von der anderen Seite vernahm Alex Lenas gedämpfte, murrende Stimme und darauf eine scharfe Zurechtweisung von Jess.
Alex’ Wangen brannten. »Tut mir leid«, sagte sie.
»Mach dir deswegen keine Gedanken. Komm, lass uns essen«, erwiderte er.
Alex holte, was Tori für sie warm gestellt hatte – und was für eine halbe Armee gereicht hätte –, während Chris einen zweiten Teller und Besteck holte und zwei Becher Kräutertee aufbrühte. Als sie das Brot schnitt, sagte sie: »Chris?«
»Ja?«
»Danke, dass du an mich gedacht hast, als du da draußen warst. Ich … das …« Sie drehte sich um und sah ihn nur von hinten, erkannte aber an seiner Haltung, dass er zuhörte. »Es ist ein schönes Gefühl, dass du an mich gedacht hast.«
Mehr gab es fürs Erste nicht zu sagen, und als sie sich wieder umdrehte, nahm sie einen flüchtigen Apfelduft wahr.
»Weißt du«, sagte er, »es ist irgendwie auch schwer, dich zu vergessen.«
Es war das totale Déjà-vu.
Nachdem sie das Essen vertilgt und sich über die Reste des Apfelkuchens hergemacht hatten, schlürften sie Tee. Sie saßen so lange da, bis Alex das Quietschen der Dielen im oberen Stockwerk hörte, und da wusste sie, dass Jess alle in ihre Zimmer geschickt hatte. Alex und Chris sprachen nicht viel, was einerseits erleichternd war und sie andererseits wahnsinnig machte. Mit Tom entspannen sich Unterhaltungen wie von selbst. Aber Chris war so still. Trotzdem empfand sie eine behagliche Vertrautheit … irgendwie genau wie mit Tom, aber er war nicht Tom, konnte es nicht sein. Wenn, dann fühlte es sich höchstens wie ein billiger Abklatsch an, wie eine verblasste Fotokopie, die man x-mal kopiert hatte, bis das Original nur noch zu erahnen war. Tom war Tom und Chris war ein Schatten, auch wenn sie sich noch so sehr wünschen würde, Chris wäre Tom. Was sie nicht tat, nicht eine Sekunde, nicht in einer Million Jahren. Sie brauchte Chris ganz schlicht und einfach, wollte sein Vertrauen gewinnen,
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