Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
die ältere Frau den Blick von ihr gelöst hatte, war ein Ausdruck über ihr Gesicht gehuscht, der nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig ließ.
Genugtuung.
Ehe man es sich versah, war es bereits Silvester.
»Ich verlasse noch heute Vormittag das Dorf. Wahrscheinlich werden wir …« Tori stellte einen Teller mit Brötchen und Rührei auf den Tisch, und Chris unterbrach sich. Da praktisch kein Backpulver mehr im Haus war, waren die Brötchen ziemlich flach geraten und ähnelten Eishockeypucks. »Danke.«
»Wohin wollt ihr?«, fragte Alex.
»Kaffee?« Tori hielt die Kanne hoch.
»Äh, gern«, erwiderte Chris. Er sah zu, wie Tori eine trübe dunkle Flüssigkeit ausschenkte, die in Alex’ Nase verdächtig nach Teer roch. Sogar Chris hob eine Augenbraue. »Was ist das?«
»Zichorie«, antwortete Jess, die gerade mit Sarah im Schlepptau aus dem Rübenkeller unter der Küche gekommen war. Beide leerten ihre mit Kartoffeln gefüllten Schürzen in der Spüle. »In New Orleans ist das eine Spezialität.«
Chris murmelte etwas Unverbindliches. »Gibt’s Butter?«
»Leider nein. Wir haben das bisschen, was wir noch hatten, für die Weihnachtsbäckerei verbraucht«, sagte Jess. »Das Milchvieh braucht besseres Futter.«
»Ich weiß.« Chris biss ein Brötchen entzwei. »Steht auf der Liste.«
»Wohin willst du?«, fragte Alex erneut.
»Sehr viel weiter, als mir lieb ist«, erwiderte Chris kauend. Dann schluckte er, spülte mit dem Kaffeeersatz nach und verzog das Gesicht.
»Tut mir leid«, sagte Tori und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich musste das Mehl mit Maismehl strecken, deshalb sind es so schwere Brocken. Soll ich mal schauen, ob ich irgendwo Honig finde?«
»Nein, nein, ist schon gut«, sagte Chris. Und zu Alex: »Wir gehen viel weiter raus als sonst. Die meisten Orte in der Umgebung haben wir schon durchforstet, da ist buchstäblich nichts mehr zu holen. Peter meint, wir sollten nach Wisconsin.«
Tori schnappte nach Luft. »Wird die Grenze nicht bewacht?«
»Das werden wir feststellen. Aber es dauert leicht eine Woche hin und eine zurück, und dabei haben wir nicht einmal die Gewähr, tatsächlich was zu finden.«
»Dann seid ihr an Neujahr gar nicht da«, stellte Sarah enttäuscht fest.
»Nein«, antwortete Chris und hob den Blick, als Lena, die Arme voller Feuerholz, mit einer Bewegung aus der Hüfte die Küchentür öffnete. »Sehr unwahrscheinlich.«
»Was ist unwahrscheinlich?«, fragte Lena.
»Chris und Peter werden Neujahr nicht hier sein«, erklärte Tori. »Wenn sie es schaffen, über die Grenze zu kommen, werden sie versuchen, in Wisconsin Nachschub zu organisieren. Das ist nicht fair. Sie mussten schon Heiligabend kämpfen und jetzt das.«
Wie üblich rollte Lena die Augen, doch diesmal stimmte Alex ihr ausnahmsweise zu. Tori schien es noch nicht gemerkt zu haben, aber das Leben war nun mal nicht fair.
»Wenn ihr was Bestimmtes haben wollt, schreibt eine Liste«, sagte Chris. »Ich kann zwar nichts versprechen …«
»Echter Kaffee«, sagte Lena. »Und falls das nicht klappt, eine Fahrkarte ohne Rückfahrschein hier raus wäre auch nicht schlecht.«
»Ach ja, die alte Leier«, brummte Sarah.
Auch Alex hatte das Thema satt.
»Ich verstehe das nicht, Chris«, wandte sie sich an ihn. »Du hast doch gesagt, es gibt noch andere Städte, oder? Und da sind all die verschiedenen Plünderergruppen, gegen die ihr kämpft. Na ja, warum organisieren wir uns dann nicht? Oder treiben Handel? Oder teilen wenigstens? Dann müsstet ihr nicht die ganze Zeit damit rechnen, über den Haufen geschossen zu werden, und wärt auch nicht immer ewig unterwegs.« Sie erinnerte sich an eine ähnliche Diskussion, die sie mit Tom gehabt hatte. »So habt ihr doch mehr Aufwand als Nutzen.«
»Da ist was dran«, meinte Jess, die Kartoffeln schrubbte.
Chris schaute etwas unglücklich drein. »Das habe ich nicht zu entscheiden.«
»Warum nicht?«, hakte Alex nach.
»Nun, erst einmal müssten wir etwas haben, mit dem wir handeln könnten«, gab Sarah zu bedenken.
»Wir haben Nahrungsmittel. Wir haben Werkzeug und Waffen und …«
»Wir werden weder Waffen noch Werkzeug tauschen«, stellte Chris klar. »Da können wir ja gleich unsere Haustürschlüssel übergeben.«
»Und was ist mit Kleidung?«, beharrte Alex. »Oder Seife und Kerzen und Lampen …«
»Oder uns«, sagte Lena und ließ das Holz mit lautem Krachen fallen. »Wie viel bin ich wohl wert, Chris, was meinst du?«
Er sah aus, als hätte
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