Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
wedelte jetzt nicht mehr, und sein Ausdruck war weniger verspielt als wütend. Die Hunde spitzten die Ohren und nahmen mit zitternder Nase Witterung auf. Alex’ und Ellies Witterung.
»Haut ab.« Doch ihre Stimme zitterte, und sie dachte: Mein Gott, das klingt wie Hallo, ich bin euer Mittagessen. Sie versuchte mehr Härte in ihre Stimme zu legen: »Haut ab! Verschwindet, ab !«
Die Hunde rührten sich nicht vom Fleck. Stattdessen tauschten sie Blicke. Alex meinte fast zu hören, wie sie diskutierten, wie gleichsam ihre Gedanken hin und her flogen. Dann richteten sich die vier Augenpaare wieder auf die Mädchen, und der Jagdhund und der Riesenköter begannen am Ufer herumzuschnüffeln.
»Was machen die da?«, fragte Ellie mit fiepsiger Stimme. »Gehen die jetzt weg?«
»Nein. Sie suchen nach einem Weg über den Fluss.«
»Warum?«
»Damit sie uns in die Zange nehmen können.« Die beiden Hunde kletterten zum Ufer hinunter, sie rutschten auf dem feuchten Laub. Alex hoffte, dass sie abstürzten, sich vielleicht ein Bein brachen oder ins Wasser fielen und den Mut verloren, aber sie sahen nicht aus wie Tiere, die sich leicht entmutigen ließen. Dann fiel ihr das trockene Blut auf dem Fell des Collies ein und sie dachte: Pistole.
»Ellie.« Sie schaute über die Schulter. Das Mädchen war kreidebleich, große Tränen kullerten ihr über die Wangen. »Ellie. Die Glock. Gib sie mir.«
Ellie bekam große Augen, nickte aber abrupt wie eine Marionette. Dann bewegte sie sich in kleinen Hopsern rückwärts, wie ein Kind, das auf dem Schwebebalken balanciert. Bei jedem Hüpfer keuchte Alex angstvoll, und sie zischte: »Nicht so schnell, wir haben Zeit, sei vorsichtig.«
»Schon fast da!«, rief Ellie schrill. Sie hatte es bis zur Astgabel geschafft, aber statt sich umzudrehen, griff sie mit der rechten Hand nach hinten, um die Glock aus ihrem Nest im Astgeflecht zu angeln …
Alex sah es kommen. »Ellie, nein, stopp !«
Zu spät.
Ellies Hand verpasste der Pistole einen Schlag, und die Waffe segelte durch die Luft. Ellie brüllte: »NEIN!«, versuchte die Glock im Flug zu fangen, aber dann verlor sie das Gleichgewicht, sie schrie wieder, schmiss sich nach vorn und umklammerte den Baum mit beiden Armen. Alex verfolgte in einer Art Schreckstarre, wie die Pistole sich überschlug, an mehreren Stellen abprallte und schließlich mit einem dumpfen Platscher ins Wasser plumpste – ein Geräusch, das Alex als Kind unzählige Male gehört hatte, wenn sie von ihrer Schaukel aus Steine ins Wasser warf. Hilflos beobachtete sie, wie der Fluss die Pistole verschluckte. Ihren Vater verschluckte.
»Tut mir leid.« Ellie lächelte angstverzerrt. Immer noch umklammerte sie den Baum. »Tut mir leid, ich hab das Gleichgewicht verloren, tut mir so leid, ich …«
Es musste doch etwas anderes geben, was sie als Waffe verwenden konnte, irgendetwas. Alex sah, dass die Hunde jetzt durch den Fluss wateten, vorsichtig über Felsen kletterten, ohne Alex und Ellie dabei aus den Augen zu lassen. Jetzt musste es schnell gehen.
»Was ist mit deinem Messer?« Ellie atmete schwer vor Panik. »Kannst du nicht dein Messer nehmen?«
»Da bin ich zu nah dran.« Die Klinge war nicht lang genug, da musste sich der Hund nur ducken und nach ihrem Handgelenk schnappen, und dann wäre alles aus.
In den Fluss springen? Alex war eine gute Schwimmerin. Sie beäugte das Wasser, die Strömung, die reißend war. Zudem waren die Felsen schlüpfrig, das Wasser tief und bestimmt unglaublich kalt. Sie könnte es schaffen, Ellie jedoch nicht, schon gar nicht mit Stiefeln und Kleidern, die sie nach unten zerren würden. Und Hunde konnten auch schwimmen. Sogar wenn Alex wieder auf die Beine käme, reichte ein Ausrutscher, und die Hunde hatten sie eingeholt. Dann wäre es um sie geschehen.
Sie ertastete am Stamm einen Ast, so dick wie ihr Handgelenk, und zerrte daran. Der Ast bog sich, ächzte, und als Alex fester zog, hörte sie ein Knacken, ein Splittern – und dann gab er so abrupt nach, dass sie ausrutschte. Ohne den Ast loszulassen, klammerte sie sich mit den Beinen an den Stamm, spürte, wie ihr Kinn aufschlug, und dann den brennenden Schmerz, als sich ihre Zähne in die Zunge bohrten.
»Alex!«
»Ist schon gut.« Alex schluckte Blut. Ihr Mund tat höllisch weh. Ihre Finger schlossen sich noch fester um den Stock. »Geh wieder dahin, wo du vorhin warst. Auf den großen Ast, von dem aus du geangelt hast. Schnell.« Alex wartete, bis sich Ellie über die
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