Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
Brett.
»Vom Funkgerät auf der Pritsche.« Tom fasste seinen Kenntnisstand kurz zusammen und schloss: »Nach Osten zu gehen, wäre die schlechteste Entscheidung. Brett, der Mond ist blau . Und grün . Das kann nur passieren, wenn eine Menge Dreck in der Luft ist.«
»Wann hast du zuletzt was gehört?«
»Vor ungefähr zwei Wochen.«
»Zum Teufel«, sagte Harlan, »in zwei Wochen kann viel passieren. Du sagst, du hast Leute aus Europa gehört? Na, wie will denn irgendeiner da drüben in Frankreich wissen, was bei uns los ist? Erinnere dich nur mal, was die Scheißkerle getan haben, als es um den Irak ging. Die wollten nur ihren eigenen Arsch retten.«
»Harlan hat recht«, meinte die Frau.
»Brett.« Tom machte noch einen Schritt auf den älteren Mann zu. »Komm schon, du bist doch kein Mörd…«
Der Knall der Flinte schnürte Alex vor Angst die Kehle zu. Ellie stieß einen spitzen Schrei aus. Tom blieb abrupt stehen. Von seinem Platz von der Ladefläche aus sagte Harlan: »Das nächste Mal, wenn ich sag, du sollst das Maul halten, Tom, dann tust du’s auch, sonst verschwende ich nicht noch eine Kugel.«
Einen Moment lang dachte Alex, Tom würde widersprechen, aber dann schüttelte er nur den Kopf, und ihr Mut sank. Wenn nicht einmal Tom sie retten konnte …
»Das wäre also geklärt«, meinte Harlan, »und jetzt bring mir das verdammte Zelt.« Als Tom das Zelt auf die Ladefläche warf, grinste Harlan und entblößte seine schiefen fleckigen Zähne, die Alex sogar aus sechs Meter Entfernung riechen konnte: jahrelang Kautabak und billiger Whiskey. »Die Schlüssel.«
Sie wollen uns wirklich hier lassen . Mit einer Art gleichgültiger Ungläubigkeit sah sie zu, wie Tom die Lasterschlüssel leise klirrend auf die dünne Schneedecke fallen ließ. Sie wollen uns aussetzen, mitten im Schnee, am Ende der Welt. Wir müssen was unternehmen.
»Wem gehört der Hund?« Als Alex nicht antwortete, schob ihr die Alte den Lauf des Gewehrs unters Kinn. »Ich frage nicht noch mal. Deiner?«
»Nein, sie gehört mir«, antwortete Ellie. »Sie hat meinem Dad und meinem Opa gehört, aber jetzt ist sie eigentlich mein Hund.«
»Schön.« Die Alte lächelte Harlan zu. »Ein Doppelpack.«
Harlan nickte. »Ja. Wir nehmen sie am besten beide mit.«
» Was? «, rief Alex.
»Ich weiß nicht, Marjorie«, wandte Brett ein.
»Brett, wenn wir den Hund dabeihaben, werden nicht so viele Fragen gestellt, klar? Jeder hat Hunde«, meinte Marjorie. »Hunde und Kinder sind gut.«
»Warum?«, wollte Tom wissen. »Wovon redet ihr?«
Brett zog die Schultern hoch. »Ein paar Leute, die wir getroffen haben, haben gesagt, Hunde könnten riechen, wenn sich jemand verändert.«
»Habt ihr die auch ausgeraubt?«, fauchte Ellie.
Brett errötete, und Alex dachte, dass Ellie wohl den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. »Wir wissen nicht, ob es stimmt«, wandte sich Brett an Tom. »Wir haben das nur gehört. Es kursieren ja alle möglichen Gerüchte.«
»Ein Hund und ein Kind«, beharrte Marjorie. »Mit denen müssen sie uns reinlassen.«
»Nein.« Tom ging zu Alex und Ellie hinüber, die sich an Alex’ Hüfte klammerte. »Ihr kriegt keine von beiden.«
»Bleib stehen, Tom«, sagte Harlan.
»Ich werde euch nicht helfen«, schrie Ellie Marjorie an. »Ich werde Mina befehlen, euch in Stücke zu reißen!«
»Schön«, sagte Marjorie und hob ihr Gewehr. »Dann knall ich einfach nur den Hund ab, und dich haben wir ja immer noch …«
»Nein!« riefen Tom und Alex wie aus einem Mund, und dann machte Tom einen Satz. Marjorie sah ihn kommen und versuchte das Gewehr herumzureißen, aber Tom duckte sich darunter weg, stürzte sich auf sie und bekam den Lauf zu fassen. Mit einem energischen Ruck versuchte er ihr die Waffe zu entreißen. Keuchend warf sich Alex gegen Ellie und stieß sie in den Schnee, als Marjorie abdrückte. Ein Knall, die Kugel schwirrte über ihre Köpfe, Marjorie geriet aus dem Gleichgewicht und stolperte rückwärts. Jetzt hatte Tom das Gewehr, er stemmte den Kolben gegen die Schulter, drehte sich um die eigene Achse, und gerade als er die Waffe hob, sah Alex, wie Harlan auf der Ladefläche herumwirbelte …
»Tom!«, kreischte sie.
34
D rei Tage später schob Alex den Kopf zentimeterweise nach oben, bis sie gerade über den Rand des frisch gefallenen Schnees blicken konnte, der den hohen, mit einer Plastikplane geschützten Stapel Brennholz bedeckte. Eine Windbö wehte ihr Schnee ins Gesicht und ließ ihre Augen tränen.
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