Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
den Wald zu. Das war keine schlechte Idee, aber zu den Bäumen waren es noch fünfhundert Meter, und bis dahin waren die Kinder völlig ungeschützt.
Er ließ die Arme sinken und hörte auf zu rufen. Es war aussichtslos, sie abzufangen. Und alle zusammenzutreiben ging nicht. So etwas hatten sie nie geübt, hatten sich nicht darauf vorbereitet.
Aber ich kann kämpfen. Er drehte sich um und sah Mellie, die keine zehn Meter von ihm entfernt stand. Sie blickte nach Osten, die Arme in die Hüften gestemmt, und beobachtete die heranrollende Flut. Ihre 44er-Magnum glänzte im Holster. »Mellie, wir müssen die Waffen ausgeben! Ich brauche ein Gewehr!«
»Geht nicht. Weller hat die Schlüssel.« Und nach einer Pause: »Die Kirche ist ja mit einem Mordskrach in die Luft geflogen.«
»Du hast keine Schlüssel?« Das konnte nicht stimmen. Er überlegte. Trug sie die Schlüssel eher bei sich oder hatte sie sie im Haus gelassen? Sie musste sie bei sich haben, entschied er. In der Tasche, in ihrer Jacke, irgendwo. Aber er konnte ihr die Schlüssel ja nicht einfach abnehmen. Was sollte er tun, sie niederschlagen? »Tja … « Die Waffen waren in einem alten olivgrünen Schrank mit Vorhängeschloss. »Dann … dann schieß das Schloss weg!«
Sie sah ihn nicht einmal an. »Das funktioniert nur im Film, Luke. Dafür brauchst du einen Bolzenschneider.«
»Mellie, du musst doch die Schlüssel haben. Sperr den Schrank auf.« Als sie nicht reagierte, packte er ihren Arm. »Wir müssen kämpfen.«
»Nein, müssen wir nicht. Können wir nicht. Nicht gegen so viele Chuckies. Los, Luke. Lauf zum Stall. Sorg dafür, dass alle drinnen bleiben. Ich möchte nicht, dass mehr Kinder verletzt werden als absolut notwendig. Diejenigen, die es bis zum Wald schaffen, sammeln wir später ein. Sie werden nicht weit kommen.«
»Bist du … « Das Wort verrückt erstarb ihm auf der Zunge, als er begriff, was sie gerade gesagt hatte. »Wieso ›später‹?« Er ließ ihren Arm los. »Was meinst du damit, wir sammeln sie später ein?«
Sie antwortete nicht, starrte nur auf die vorrückenden Chuckies.
Da der Schnee nicht mehr tief war, kamen sie ziemlich schnell voran. Inzwischen konnte er ihre Anzahl grob schätzen. Vielleicht … dreißig? Vierzig? Zehn wären schon zu viel gewesen. Aber was ihn noch mehr ängstigte, war, wie still sie waren. Keine Rufe, kein Kriegsgebrüll. Einen unheimlichen Augenblick lang glaubte er, eine Gefechtsaufstellung vor sich zu haben: vorne bewaffnete Chuckies, und dahinter …
O nein. Er wich einen Schritt zurück, weg von Mellie. Hinter der Vorhut aus Chuckies galoppierten in einem Abstand von einem knappen Kilometer in einer keilförmigen Formation mindestens zwanzig Reiter heran, und die Distanz verringerte sich rasch. Ohne Fernglas war es schwer zu beurteilen, aber er meinte, dass es sich um zwei unterschiedliche Gruppen handelte: Männer in grau-weißen Wintertarnanzügen …
Und Jugendliche. Jugendliche in Weiß, sie waren zu weit weg, als dass er ihre Gesichter hätte erkennen können, aber er hatte den Eindruck, manche wären Mädchen. Und alle waren alt genug, um Chuckies zu sein. Nein, das ist unmöglich. Pferde mochten keine Chuckies, obwohl manche nicht so wild wurden wie andere. Vielleicht ist an diesen Chuckies etwas anders. Muss wohl so sein. Denn diese Chuckies ritten, und sie waren mit Menschen zusammen. Mit Männern.
Noch einmal versuchte er es: »Mellie, wir haben noch Zeit. Bitte, hilf uns. Gib mir die Schlüssel.«
»Ich kann dir nur einen guten Rat geben«, sagte Mellie mit einer unheimlichen Ruhe. »Geh in den Stall. Lauf, Luke.«
Den Bruchteil einer Sekunde war er versucht, ihr zu gehorchen, denn sie war ja erwachsen. Aber dann tat er das Undenkbare, was er einem Erwachsenen gegenüber noch nie gewagt hatte, weil brave Kinder so etwas nicht tun.
Er schlug sie.
Der Hieb, den er ihr gegen die Brust verpasste, überraschte ihn fast ebenso sehr wie sie. Mellie war kleiner als er, aber kompakt wie Beton und kein Leichtgewicht. Aus dem Gleichgewicht gebracht, taumelte sie rückwärts. Da er bereits so weit gegangen war, ließ Luke nicht locker, er packte sie am Parka, damit sie nicht hinfiel, denn wenn sie auf dem Hintern landete, würde er die Pistole nicht mehr rechtzeitig erwischen. Aus dem Schock, den er in ihren Augen sah, wurde Wut, und dann griff sie nach dem riesigen, teuflischen Colt. Jetzt blieb ihm keine andere Wahl. Luke fasste nach der Waffe. Seine Finger schlossen
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