Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
Rauchvergiftung.« Was einzig und allein meine Schuld war .
»Tut mir leid, das zu hören. Wir waren selten einer Meinung, aber ich bewundere ihn dafür, dass er Kindern, die ein anderes Leben als ihre Eltern führen wollten, ein Zuhause geschaffen hat. Er war immer schon sehr fürsorglich.«
»Mir hat er auch geholfen, als ich verletzt war. Aber das ist eine lange Geschichte.« Über seine Rückkehr von den Toten wollte er mit diesem alten Mann nicht sprechen.
»Wie viel hat er dir erzählt?«
»So ziemlich alles. Manches habe ich auch selbst herausgefunden.«
»Aha. Hast du Fragen?«
Ach, nur ungefähr eine Million . Auch wenn er für sich entschieden hatte, dass das alles nicht mehr wichtig war, Schnee von gestern, gewann doch seine Neugier die Oberhand. »Ja. Wie hast du die Entscheidung getroffen? Zwischen Simon und mir, meine ich.«
»Hmmm.« Yeager knetete seine skelettartigen Hände. Hätte er eine Sense gehabt, hätte man ihn für Gevatter Tod halten können. »Um ehrlich zu sein, habe ich mir das Kind auf der rechten Seite ausgesucht.«
»Wie meinst du das?«
»Ich konnte nur eines mitnehmen. Deine Mutter hatte jeden von euch auf einem Arm, und dich auf dem linken.«
»Was soll das denn bitte heißen?« Die Erwähnung seiner Mutter tat ihm weh. Doch als ihm der scharfe Ton, der brodelnde Zorn in seiner Stimme bewusst wurde, sagte er sich: scheißegal. »Was für einen Unterschied macht denn die Seite?«
»Oh … « Yeager fuhr sich bedächtig über den kahlen Kopf, die Geste eines Mannes, der einst seine Haare glattgestrichen hat. »Weil Jesus zur Rechten Gottes sitzt, denke ich. Wenn ich es biblisch erklären soll. Aber eigentlich ist es eher etwas Mystisches. Geht auf die Juden zurück. Für sie spiegelt sich in den beiden Seiten des Körpers die gespaltene Natur unserer Seele wider. Da ist eine Macht, die gibt, und eine, die behält. Die rechte Hand ist die stärkere; sie teilt aus, egal, ob mit Milde oder mit Härte. Mit der linken hält man Dinge zurück, sie steht für Disziplin und Selbstbeschränkung. Die linke Hand bewahrt ihre Geheimnisse.«
Und lebt in den Schatten . Sein Großvater hatte ein perfektes Bild von ihm und seinem Leben gezeichnet. »Also hast du den Starken genommen.«
»Ich entschied mich für das Schwert.« Yeager hielt kurz inne. »Aber in meiner Vermessenheit habe ich übersehen, dass es ebensolcher Stärke bedarf, sich zu beherrschen, seinen Zorn zu zügeln und nicht vorschnell zu handeln. Man kann sich leicht einreden, ein rechtschaffener Zorn würde Grausamkeit rechtfertigen. Doch du bist stark, Chris, viel stärker, als ich es dir zugetraut hätte.«
»Ich bin nicht stark«, entgegnete Chris. Aber von all seinen Erinnerungen an Rule – wo er gehofft hatte, endlich ein Zuhause zu finden – waren die lebhaftesten diejenigen an die morgendlichen Gottesdienste nach einem Kampf: Da kniete er in der Kirche neben Peter, während alle – einschließlich Alex, ja gerade Alex – zuschauten, wie sein Großvater ihm segnend die Hände auf den Kopf legte. Es war kitschig und albern und unglaublich sexistisch, dennoch hatte es ihn mit Stolz erfüllt: So fühlt es sich an, wenn man keine Angst haben muss. So fühlt es sich an, dazuzugehören. War er nicht wie Tom? Auf der Suche nach meinen Leuten … Nur dass Alex verschwunden war. Und wenn sich seine Träume bewahrheiteten, befand sich Peter in einem Zustand, der schlimmer war als der Tod. In seiner Kehle steckte ein Kloß. Er sollte gehen. In Tränen auszubrechen, kam jetzt überhaupt nicht infrage. Er hatte Yeager nicht verziehen, dazu konnte er sich nicht durchringen. Bei Peter konnte er den Hammer loslassen, aber nicht bei diesem Alten. »Manchmal warte ich zu lange, und dann ist es zu spät.«
»Aber du hast nie aufgegeben, Chris. Du suchst deinen Weg und du gehst ihn. Lass es dir von einem alten Mann gesagt sein: Manchmal bekommt man eine zweite Chance.«
Aber nicht mit Alex. Seine n ächste Frage überraschte ihn selbst: »Was mache ich mit Simon? Wenn er noch lebt … sind wir Feinde. Hat er überhaupt von mir gewusst?«
Yeager schüttelte den Kopf. »Was du tust, hängt davon ab, was du vorfindest.«
»Er ist ein Menschenfresser.« Er ist mein Bruder. Wir sind eineiige Zwillinge. Er ist ich, und ich bin er.
»Wenn er nicht mehr ist als das, hast du deine Antwort doch schon, oder nicht?«
»Wie könnte er mehr sein als das?«
»Ich liebe ihn, Chris.« In der Dunkelheit konnte Chris den
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