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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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ich fasse es nicht.«

21
    »Ich muss dir was sagen, Schätzchen. Du weißt doch, dieser Anruf …« Ihr Dad zieht langsam die Schnur ein, die Rolle macht klick-klick-klick, während die Rute auf und nieder wippt, auf und nieder. Barsche lieben hüpfende Köder. »Der von gestern Abend …«
    »M-hm?« Ellie hört nicht richtig zu. Eine leichte Brise, Anfang Juni immer noch frisch, streicht über die Härchen auf ihren Armen. Das Wasser ist so klar, dass ein zweiter Himmel darin gefangen ist. Sie sollte sich auf ihren Schwimmer konzentrieren, aber ein Seetaucher-Männchen, das am anderen Ufer schwimmt, fesselt ihre Aufmerksamkeit. Wenn er den Kopf neigt, sieht sie seine Augen rot schimmern. Er reckt den Hals und schreit klagend, ein unheimlicher Ruf – es ist der Klang der Minnesota Boundary Waters und der Angelausflüge mit ihrem Vater –, der Ellie immer wieder einen Schauer über den Rücken jagt.
    »Kalt?« Ihr Dad legt ihr den Arm um die Schulter. »Willst du meinen Pulli?«
    »Nein.« Sie kuschelt sich an ihn. Er riecht nach Dove-Seife und verbranntem Sand, weil der Irak sich nicht abwaschen lässt. Als er von seinem ersten Einsatz wiederkam, stieg er ohne sich auszuziehen, in seiner ganzen Montur, in Opa Jacks Dusche, während sie auf dem Badewannenrand saß und ihr Großvater mit ernstem Gesicht in der Tür stand. Bevor ich los bin, habe ich alles gewaschen , sagte ihr Dad und drehte das Wasser voll auf. Und jetzt sieh dir das an. Klares Wasser sprudelte aus dem Duschkopf und floss schmutzig grau in den Abfluss, was sie überraschte, weil Opa Jack einen Artikel über die Truppen geschrieben und ihr Dad ein Video von einem Sandsturm geschickt hatte. Darin strahlte der Irak leuchtend orange, nicht aschgrau. Zwei Minuten nachdem du geduscht hast, bist du wieder dreckig , sagte ihr Dad über das Wasserrauschen hinweg. Das Zeug kriegst du nie wieder raus. (Opa Jack war danach allerdings tagelang sauer: Der verdammte Sand verstopft mir doch den Abfluss. Aber sie ertappte ihn, wie er vorsichtig getrockneten Sand in ein Gläschen schabte, wie ein Souvenir.)
    »Ich beobachte nur die Seetaucher«, erklärt sie. Es wäre ihr lieber, ihr Vater würde nicht reden. Dies ist der Augenblick, den sie am liebsten mag: bevor der Fisch anbeißt. Sobald er den Köder geschluckt hat, ist es, als würde etwas umschlagen, denn dann geht es um Leben und Tod. Das Leben des Fisches ist vorbei, einfach so, nur weil Ellie an genau diesem Morgen ihren Köder mit einer saftigen Wachsmottenlarve hüpfen ließ und ein Barsch vorbeischwamm und fand: Uuui, das sieht aber interessant aus.
    »Ach so.« Ihr Vater hält inne. »Also, der Anruf.«
    »Ja?« Aus dem Gestrüpp am Ufer taucht die Seetaucher-Mama mit zwei schwarzbraunen Flaumbällchen auf. Ellie ist plötzlich ganz aufgeregt. Der Morgen ist so still und das Seufzen des Windes so leise, dass sie die Küken piepsen und die Mutter leise rufen hört. »Schau«, flüstert sie. »Babys!«
    »M-hm.« Er drückt sanft ihren Arm. »Liebes, ich muss dir was Wichtiges sagen.«
    »Klar.« Sie wendet ihren Blick nicht von den fiependen Küken ab. Der Vater segelt hinüber, als die Mutter ins Wasser gleitet und die Babys ihr folgen: platsch-platsch! »Was?«
    »Ich muss wieder fort«, sagt er.
    Sie braucht einen Augenblick, um die Worte zu begreifen. Auf der anderen Seite des Sees schwimmt die Seetaucher-Familie um Seerosenblätter herum. Irgendwo in der Nähe durchbricht ein Fisch die Wasseroberfläche, um nach einer Fliege zu schnappen. Aber in ihr ist jetzt alles so tot wie der aschgraue irakische Sand.
    »Was?«, ruft sie und richtet sich so abrupt auf, als wäre plötzlich sie der Wurm am Haken. Die erwachsenen Seetaucher heben die Köpfe, als wären sie von der Nachricht ebenfalls schockiert. »Du bist doch eben erst zurückgekommen!«
    »Vor sechs Monaten«, sagt er, ohne den Blick vom Wasser zu wenden, und lässt den Köder hüpfen, als hinge sein Leben davon ab. Ihr Vater trägt sein Haar militärisch kurz, und sie sieht, wie die weiße Haut hinter seinen Ohren und am Halsansatz rot wird. »Es sollte für ein Jahr sein, aber sie brauchen mich. Einer der Hundeführer und sein Hund wurden … sie sind nicht mehr im Dienst.« So wie er es sagt, weiß sie sofort, dass es tot bedeutet, aber das Wort ist tabu. Ihr Dad sagt, es bringe Pech. Im Gefecht zu fallen ist eine Art Fluch, sag tot, und du ziehst ihn auf dich. Männer und Hunde sterben nicht, sie sind nicht mehr im Dienst . »Mina ist

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