Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
solcher Angsthase.
»Na schön«, sagte sie, zog die Angelschnur hoch und griff mit gespielter Gleichgültigkeit in eine Innentasche ihres Parkas. Sie holte eine Box heraus und klappte den Deckel auf. In dem Sägemehl, das von Ellies Körper warmgehalten wurde, lagen dicke weiße Maden, jede so lang wie eine Fingerkuppe. Behutsam pickte sie ein fettes Exemplar aus der sich windenden Masse heraus. »Okaaay«, sagte sie, als sie die Made auf den Haken spießte. Es war wirklich eine Verschwendung, weil schon eine daran hing. Aber sie musste Eli Feuer unterm Hintern machen. »Wenn du waaarten willst und mir mit der Aaausrüstung hilfst …«
»Ach Mann!« Eli verzog seine kirschroten Lippen, die für einen Jungen fast zu fein geschwungen waren. »Ich hasse es, wenn du das tust.«
»Mjam, mjam.« Mit einer neuen Wachsmottenlarve in der Hand schmatzte Ellie mit den Lippen. »Leeecker …«
»Bäh.« Eli tat, als müsste er sich übergeben, grinste aber dabei. Sonniges Gemüt, hätte Opa Jack gesagt. »In Ordnung, du hast gewonnen. Aber hör jetzt auf!«, meinte Eli und zog acht tropfende, schwarz gepunktete Barsche, die mit Haken durch die Kiemen an einem Stringer, einer stählernen Kettenhalterung, befestigt waren, aus dem einen Eisloch. »Bäh«, sagte er wieder, als er die zuckenden Fische auf Armlänge von sich hielt und sich sein grauer Mischling Roc mit Mina an seine Fersen heftete. »Meine Handschuhe riechen immer nach Fisch«, klagte Eli, während die Hunde aufgeregt um ihn herumtänzelten. »Roc riecht nach Fisch. Mein Sattel riecht nach Sardinen.«
Sie verkniff sich eine Bemerkung über mörderische Fürze, obwohl auch sie geräucherten Barsch satthatte. Aber so ein Hotdog … »Wenigstens kriegt jeder was zu essen.«
»Und du riechst auch immer nach Fisch.« Eli zog die andere Schnur aus dem Wasser. »Wie lange brauchst du im Wald, wann muss ich mir Sorgen machen, dass du gefressen wurdest?«
»Ha, ha. Vielleicht eine, eineinhalb Stunden.« Das war nur so dahingesagt. Seit Alex Micky Maus hatte, wusste Ellie nicht mehr, wie spät es war. »Nicht zu lang. Aber es ist ja noch eine Weile hell.«
»Und du bist sicher, dass du mit der Ausrüstung klarkommst?«
»Natürlich komm ich klar. Ich komme immer klar«, murmelte sie leise, aber sie rief Mina bei Fuß und winkte Eli noch fröhlich zu. Die Krähen flogen auf, als er sich dem Ufer näherte, doch als er ohne anzuhalten zu seinem Pferd ging, folgten sie ihm wie eine schwarze, krächzend schimpfende Wolke.
Nur zwei Eisangeln zeigten einen Biss an, aber die Fische waren unter zwanzig Zentimeter lang, also zu klein, und Ellie warf sie wieder zurück ins Wasser. Mit Mina an ihrer Seite schnappte sie sich den alten Plastikeimer für das Angelgerät und ging hinaus aufs Eis zu den Löchern, die sie am Morgen weit draußen gebohrt hatte.
Am westlichen Ufer mündete eine Quelle in diesen sehr tiefen See. Dort war das Wasser viel wärmer, sodass der See nie ganz zufror. Stattdessen ging die Eisdecke hier in einen gezackten Bogen aus matschigem Eis über, von dem Ellie immer ausreichend Abstand hielt. Als sie sich jetzt den Eislöchern näherte, sah sie die orangefarbene Fahne aufrecht stehen und freute sich unbändig.
»Super«, sagte sie zu dem Hund. »Wir haben was erwischt.« Das letzte Stück Weg lief sie, dann ließ sie sich auf die Knie fallen und machte sich daran, die Schnur zu lösen. Doch sobald sie spürte, wie leicht die Schnur war, war ihre Aufregung wie weggeblasen. »Mist.« Etwas hatte den Köder geschnappt und sich wieder befreit. Aber dann entdeckte sie, wie sich die einfädige Nylonschnur kringelte und erkannte, dass das Senkblei am Ende fehlte, da war überhaupt kein Gewicht. Die Schnur war entzweigegangen. Sie benutzte am liebsten einfädige Schnüre, die gaben leichter nach und verhinderten, dass das Fischmaul einriss.
»Wow, das war ein starker Fisch.« Und groß. Glasaugenbarsche mochten tiefes Wasser. Genau wie Hechte. An denen war viel Fleisch dran. »Vielleicht sollte ich doch geflochtene Schnüre benutzen«, meinte sie zu Mina, die ihr das Wasser von den Fingern schleckte. »Und die Löcher etwas größer bohren, wenn wir auf die großen Kerle aus sind.«
Sie holte ihr Messer aus der Hosentasche, ein Leek aus rostfreiem Stahl, und ließ die Klinge mit einer geübten Daumenbewegung aufspringen. Insgeheim wünschte sie sich, Alex und Tom könnten sehen, wie geschickt sie sich dabei jetzt anstellte. Aber das wünschte sie sich
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