Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
Wütend wirbelte er herum, versuchte nach ihm zu greifen, aber Simon tänzelte außer Reichweite. » Du brauchst mich, Penny braucht mich. Aber ich kann euch jetzt nicht helfen – kapierst du das nicht? Ich kann mir nicht mal selbst helfen!«
»Wer ist Penny?«, wollte Segelohr wissen.
»Seine Schwester. Leute aus Rule haben gesagt, sie war ein echter Hingucker. So richtig«, Lang deutete mit den Händen ausladende Frauenbrüste an, » proper .«
»Halt’s Maul!« Peter wirbelte so schnell mit dem Kopf herum, dass blutige Spucke flog. Aber im Grunde war er froh, weil er seinen Hass jetzt auf jemand anderen richten konnte. »Sprich den Namen meiner Schwester nicht aus! Denk nicht mal an sie!«
»Sie war schon weg, als ich dort ankam. Es heißt, sie wäre wohl so eine Art Aussteigerin gewesen.« Lang sprach weiter, als wäre Peter gar nicht da, was in vielerlei Hinsicht auch stimmte. Der alte Veteran fuhr sich mit der blassrosa Zunge über die schwarzen verfaulten Zähne. »Verdammt schade. Ich hätte gute Lust gehabt, den Mädels mal zu zeigen, was ein echter Mann ist …«
»Halt’s Maul!« Mit beiden Händen rüttelte Peter an den Gitterstäben. »Halt’s Maul, Lang. Ich bring dich um, wenn du nicht dein Maul hältst!«
»Ach, ja?« Lang schob seinen Stuhl zurück und griff nach dem Schlagstock. Eine Drehung mit dem Handgelenk und fünfundsechzig Zentimeter verchromter Stahl schossen hervor. Lang ging auf Peters Zelle zu und ließ das Metall gegen die Gitterstäbe knallen, das Bang-Bang-Bang dröhnte synchron zu dem Bong-Bong-Bong . Die Veränderten in den anderen Zellen wichen zurück. »Bist ein ganz Harter, was, Junge? Du bringst mich also um? Das will ich sehen.«
Ja! Mach schon, spalt meinen Schädel, zermatsch mir das Hirn, töte mich, töte mich! »Na, los!«, johlte Peter. »Komm her, du Arschloch, komm! Da draußen bist du mutig, kannst prahlen, wie du den Mädchen zeigst, was für ein Mann du bist, also komm doch!«
Langs Gesicht färbte sich rot. »Bild dir bloß nicht ein, ich würde …«
»Lang!« Segelohr sprang auf. »Ich glaube nicht, dass das eine gute …«
»Halt die Klappe!« Lang kam näher und schlug dabei hart auf Metall. »Du kleiner Pisser …«
»Peter.« Es war Simon – und auch wieder nicht. Die ruhige, leise und trotzdem kraftvolle Stimme kam wie ein Tritt in den Bauch, der ihm den Atem raubte. »Peter, nicht.«
Im selben Moment spürte Peter, wie seine Wut verflog, ihn ausgezehrt und schwach zurückließ. Er blickte nach rechts, wo Simon immer außer Sichtweite schwebte, und schnappte nach Luft, als plötzlich, hell und schimmernd, Chris’ Gestalt erschien.
»Peter.« Chris’ Gesicht war ein weißes Flimmern. »Hör auf. So kannst du sie nicht besiegen.«
»Chris«, hauchte Peter. Seine Beine drohten nachzugeben. Der Anblick erschütterte ihn dermaßen, dass er, wenn er sich nicht an den Gitterstäben festgeklammert hätte, auf dem schmutzigen Betonboden zusammengebrochen wäre. Chris konnte nicht hier sein, das wusste er. Die Tatsache, dass Chris … Was, wenn er tot ist? Nein, bitte, lieber Gott. Peter schnürte es die Kehle zu. Sein Blick trübte sich, und er kniff die Augen zusammen. »Chris, du kannst nicht hier sein. Es kann nicht sein, dass ich dich sehe. Unmöglich.«
»Na?«, bellte Lang, doch seine Schläge an die Gitterstäbe klangen schwächer und schmerzten nicht mehr so in Peters Ohren. Warum? »Schau mich an, wenn ich mit dir rede!«
»Mach die Augen auf, Peter«, bat Chris. »Sieh mich an. Lass mich dir helfen.«
»Nein.« Er zitterte, ihm war kalt, so kalt. »Wenn ich das mache … wenn ich dich sehen kann, heißt das, dass du tot bist oder verändert und …«
»Sieh mich an«, sagte Chris. »Hör zu.«
Peter konnte nicht anders. Seine Lider öffneten sich Millimeter für Millimeter, und da schrie er auf. Chris war kreidebleich, und seine Augen waren nicht schwarz, sondern funkelten violett. Er hätte nicht hinsehen sollen. Er sollte die Augen bedecken. Wenn er Chris noch länger anschaute, würde er erblinden. Aber er hatte auch Angst, woanders hinzusehen – denn wenn er Simon, Kate mit ihren Rehaugen oder Lang oder auch Segelohr ins Auge fasste, würde ihn dieser Anblick völlig fertigmachen. Die Dunkelheit war auf ihre eigene Weise ein schreckliches Licht.
»Ich sehe dich.« Es war eine Halluzination, eine Vision, die ein fiebernder Geist heraufbeschworen hatte, weil er nichts anderes mehr hatte, es keinerlei Hoffnung gab. Ich
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