Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
offensichtlich falsch war, was ich getan habe, und ich mache nicht gern Fehler. Ein Fehler reicht, und Menschen sterben.« Sie richtete den Blick auf seine Finger, lang, aber rauer jetzt, mit Schwielen von den langen Stunden, in denen er die Axt schwang und Pferde am Zügel führte. »Und ich habe Chris keine Wahl gelassen.«
»Er hätte das Zeug nicht getrunken, das weißt du selbst«, sagte er leise. »Außerdem, woher willst du wissen, dass wir ihn nicht gerettet haben? Was, wenn der Absud genau das war, was er gebraucht hat? Denk mal darüber nach. Das könnte eine richtig große Entdeckung sein.« Seine Hand schloss sich um ihre. »Es könnte uns in Zukunft echt helfen.«
Sie musste vorsichtig sein. Sie waren ein gutes Team. Nur weil Jayden mehr wollte, sollte sie ihn nicht unbedingt dazu ermutigen – schon gar nicht jetzt, wo dieser seltsame Junge aufgetaucht war, dessen Gesicht eine Unzahl von Erinnerungen in ihr weckte, und zwar größtenteils ziemlich üble. »Wenn wir es begreifen würden. Das ist kein Experiment, das ich wiederholen kann, es sei denn …« Es sei denn, jemand von uns ist so schwer verletzt, dass er oder sie sowieso sterben muss. Einen Moment verharrte sie noch, dann entzog sie ihm die Hand, scheinbar um nach ihrer Tasse zu greifen und zu trinken. »Was ist mit dem Mädchen? Das Mädchen, das Ellie gesehen hat?«
»Keine Ahnung.« Jaydens Ton wurde plötzlich so hart wie sein Gesicht. »Morgen ziehe ich mit Connor los und wir holen Isaac, damit er sich den Jungen mal ansieht. Wenn ich schon dort bin, kann ich auch gleich schauen, was mit den anderen ist, ob sich jemand verändert hat und abgehauen ist, bevor wir … du weißt schon … uns darum kümmern konnten. Ich bin nur froh, dass dieses Mädchen allein war. An mehr als einer wäre Ellie wahrscheinlich nicht vorbeigekommen.«
»Aber wie ist das Mädchen hergekommen? Wir waren so vorsichtig und leben hier in völliger Abgeschiedenheit. Der Winter wird noch ein, zwei Monate dauern. Es gibt keinen Grund, warum eine von denen dahin zurückgehen sollte, wo ursprünglich gar keine Jugendlichen waren. Außerdem war sie tagsüber unterwegs. Jayden, was ist, wenn sie sich anpassen? Oder sich noch mal verändern?« Sie hatten doch bei Gott schon genug Probleme, mussten sie sich jetzt auch noch tagsüber vor den Menschenfressern in Acht nehmen?
»Ich weiß es nicht, Hannah. Wenn es so ist, können wir wahrscheinlich wenig dagegen tun. Verbuchen wir es einfach als weiteres großes Rätsel aus der Trickkiste des Übernatürlichen, okay?« Er stand auf und schenkte ihr ein knappes Lächeln. »Oder ein Wunder Gottes, wie wär’s damit?«
»Nicht.« Ihr Blick fiel auf ihre Bücher. »Sei mir nicht böse.«
»Böse? Ach, Hannah.« Kurz herrschte Stille, dann hörte sie, wie er in seinen schweren Stiefeln zur Tür ging. »Ich wünschte, ich könnte das, denn dann wäre alles viel leichter.«
38
Es waren jetzt schon zwei Stunden, und er plapperte immer noch vor sich hin, erzählte Geschichten aus der Zeit nach Vietnam: »… haben mein Bein mit einer Säge aufgeschnitten, und ich denke mir, auf keinen Fall gehe ich in die Notaufnahme. Also schaue ich bei meiner Nachbarin vorbei, einer Ärztin, und zeige ihr …«
»J-jemand … jemand h-hat sie gemacht.«
Die Geschichte war vergessen, Weller setzte sich auf. Endlich geht was vorwärts. Er hatte Tom auf seine Pritsche gelegt, und jetzt sah Weller, dass der Junge glasige Augen hatte und sein Blick ins Leere ging. Weller stellte seine Tasse auf den Boden, legte den Finger auf Toms Handgelenk und fühlte den langsamen, stetigen Puls. Tom war ein robuster Kerl, aber mit zwei Alprazolam-Tabletten, deren Aluminiumgeschmack mit starkem, gesüßtem Kaffee überdeckt worden war, konnte nicht einmal er es aufnehmen. Ein besseres Leben dank Chemie. Ein makabrer Gedanke, aber völlig zutreffend.
»Sie gemacht?« Als keine Reaktion kam, schüttelte Weller den Jungen ein bisschen. »Tom?«
»Hmm.« Tom wurde wieder etwas munterer und schluckte. »Na ja. Eher wie …« Er hatte die Tasse auf seiner Brust abgestellt, aber als er trinken wollte, glitt sie ihm beinah aus den schlaffen Fingern.
»Lass mich mal machen.« Behutsam nahm Weller ihm die Tasse ab und stellte sie neben seine. »Erzähl mir, was du gesehen hast.«
»Sie sind anders.«
Sie. »Mehr als einer?«
»M-hm.« Tom nickte lethargisch. »Ein Junge, zwischen den … den Bäumen.«
»Ein Junge. Hat er gewartet?«
»Nein.« Toms
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