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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Campingtopf, der über den glühenden Kohlen in der Feuerstelle der Hütte hing, und rührte das Gebräu mit der blutroten Kiefernrinde um. Von dem Zeug konnte sie nicht leben. So etwas aß man bei einer Hungersnot, genau wie Eicheln. Aber da sie ja tatsächlich hungerte, war es immerhin besser als nichts. Hatte sie nicht irgendwo gelesen, dass man Rinde in Olivenöl rösten konnte, gewürzt mit einer Prise Salz? Das war wohl die Pommes-Variante für Hinterwäldler. Bei dem Gedanken ließ ihr ein gespenstisches Aroma von knusprigen Bratkartoffeln, von Fett und Salz, das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Hör auf, lass den Quatsch. Das war das Nervige am Hunger: Man dachte nur noch ans Essen. Sie musste sich zusammenreißen. Ihr war schließlich klar, dass sie sich auf gefährliches Terrain begab, wenn ihr Körper Tag für Tag der völligen Verzweiflung ein wenig näher rückte. Wenn sie aufstand, wurde ihr jedes Mal schwindlig. In ihrem Magen nagte unablässig ein scharfer Schmerz. Manchmal dachte sie, das Monster wäre nach unten gewandert und würde sich aus ihrem Bauch einen Weg ins Freie fressen.
    Wir verhungern alle. Sie stupste die Kiefernrinde an, bewegte sich wie in Zeitlupe, spürte nur allzu deutlich Pickels glitzernde Augen in ihrem Rücken, den beißenden Nebel seines Hungers und seine Mossberg, die er auf sie gerichtet hielt. Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war, dass Pickel eine hastige Bewegung missverstand und ihr wegen eines elenden Stücks gekochter Rinde das Hirn wegpustete. Wenn man bedachte, wie ausgehungert er war, würde er es vielleicht sogar einfach so tun und später Wolf um Verzeihung bitten: Klar, Boss, ich weiß, blöd gelaufen. Pickels Hunger stank übelst – der Geruch von gärendem Obst. Ob ich wohl genauso rieche? Darüber dachte sie sonst nicht viel nach. Für Pickel und die anderen roch sie vermutlich wie ein rohes Steak. Eine nette Gewürzmischung dazu, saftig und blutig serviert, sodass es beim Abbeißen auf der Zunge zergeht  …
    »O mein Gott, was würde ich für ein Steak geben«, sagte sie. (Links von ihr antwortete Pickel mit einer Duftwolke aus Fäulnis und Hunger. Kein Wunder.) Wenn Pickel es nur nicht so eilig gehabt hätte, wieder in die Hütte zu kommen. Draußen war ihr der Maschendrahtzaun aufgefallen, und sie dachte: ein Garten? Die leeren Dosen sprachen dagegen, aber nachsehen könnte sich lohnen. Mann, sie würde alles tun für eine verschrumpelte alte Kartoffel oder eine runzlige Karotte.
    Neben dem Garten bei einem Schuppen war außerdem ein seltsamer Haufen, der nach Bäckerei roch. Ein Komposthaufen? Möglich. Zeug, das noch nicht verrottet war, vor allem bei der Kälte: abgenagte Melonenrinde, ledrige Apfelbutzen, halb aufgegessene Maiskolben. Bananenschalen enthielten Kalium. Sie würde alles nehmen, was sie kriegen konnte, es auskochen und runter damit, bloß nicht drüber nachdenken. Und was war mit diesem baufälligen Schuppen? Leute bewahrten alles Mögliche in Schubladen auf oder in Rucksäcken, oder sie hängten Sachen an Haken und Balken oder stopften sie in Regalfächer. Knochenharte Müsliriegel. Bonbons. Energieriegel. Diese kleinen Rosinenschächtelchen und Tüten voller Nüsse. Schon beim Gedanken daran, was sie dort alles finden könnte, lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
    Und womöglich sind da noch andere Dinge, die ich gebrauchen könnte. Waffen wurden gern in Schuppen verwahrt. Ihr wäre alles recht, sie war nicht wählerisch. Nägel, ein alter Hammer. Ein Seil. Stromkabel. Sägeblätter. Am besten wäre ein Gewehr, aber Schrotpatronen waren fast genauso gut. Man musste nur das Schießpulver rausholen und konnte Mini-Granaten daraus basteln. Besser als nichts.
    Doch sie musste vorsichtig sein. Immerhin hatte sie jetzt mehr Freiheit. Wolf erlaubte ihr, selbst nach Nahrung zu suchen und Leopards Messer zu behalten. Das durfte sie keinesfalls aufs Spiel setzen. Das Messer und ein Feuerstein waren ihre einzigen Überlebenswerkzeuge. Ohne diese Dinge war sie so gut wie tot, wenn und falls sie es schaffte zu fliehen.
    Wenn und falls? Ach, träum weiter, Schätzchen. Manchmal ging sie sich echt selbst auf die Nerven. Es war, als würde sie auf der Titanic festsitzen und nur darauf warten, dass das Schiff endlich sank. Sie stand ständig unter Bewachung. Und wo sollte sie all diese wunderbaren Waffen überhaupt verstecken? Wenn sie erwischt wurde, konnte sie ihre kleinen Beutezüge vergessen. Dann würde sie endgültig verhungern. Wolf

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