Ashes to Ashes (German Edition)
er nicht zurückgekommen
ist! Ihr seid Schuld an allem! Mama weint die ganze Zeit! Sie weint und wird es
immer tun, genau wie die letzten Monate! Warum seid Ihr nicht anstelle von Papa
gestorben? Warum ist…“
„Das reicht jetzt, Knäblein! Halt die Klappe
oder ich stopf’ sie dir mit meinem Schwert“, raunte Erik von seinem Pferd
herunter und zog die Waffe aus der Scheide.
Herrisch winkte Christen ab. Er funkelte den
Rotschopf kopfschüttelnd an, bis jener seufzte und mit den Schultern zuckte.
„Ich bin jedenfalls nicht Schuld daran, wenn das
Balg ein Messer zückt und es dir in den Leib rammt, Prinz!“, pfiff er durch die
Lippen.
„Wenn du mir nicht den Namen deines Vaters
nennst, kann ich nicht wissen…“, versuchte Christen von Neuem, wurde jedoch von
einem aufgebrachten „Leif…, Leif, so sei vernünftig und komm zurück!“
unterbrochen. Ein Mädchen mit bleichen Wangen hatte sich durch die Beine der
Wachtposten gezwängt und war zu ihrem Bruder geeilt, zog ihn beschützend in ihre
schmalen Ärmchen.
„Vergebt meinem Bruder, Prinz! Er… hat es nicht
so gemeint! Bitte vergebt ihm“, flehte sie zitternd und wendete ihre Augen nicht
von der Schwertscheide an Christens Hüfte.
Sie wich einen Schritt zurück, als der Prinz das
Cape an seinen Schultern löste, konnte nicht begreifen, weshalb er es um den
Körper ihres Bruders schlang und deshalb blinzelte sie etwas verstört.
„Vielleicht reitet Euer Vater in den hinteren
Reihen. Wir bilden nur die Vorhut“, sagte Christen mit ruhiger Stimme und einem
schalen aufmunternden Lächeln auf den Lippen.
Doch das Mädchen schüttelte abwesend den Kopf,
nachdem sie sich an Christens blauen Augen satt gestarrt hatte.
„Die Nachricht von seinem Tod erreichte uns
bereits vor vielen Wochen. Wir haben die Reihen abgesucht. Er ist nicht zurück“,
flüsterte das Mädchen heiser.
„Es tut mir leid!“ war alles, was der Prinz
hervor brachte. Seine Kehle fühlte sich plötzlich so trocken an, schnürte sich
enger und enger, während er erneut die Aufmerksamkeit auf den kleinen Jungen
richtete, der sich inzwischen verzweifelt heulend die Augen rieb.
„Ihr solltet jetzt zurück zu euerer Mutter
gehen. Ihr werdet Trost in eurem Zusammenhalt der Familie finden. Ich bin
sicher, euer Vater hat tapfer gekämpft und seinem Vaterland einen großen Dienst
erwiesen!“
Unter einem leichten Seufzen richtete sich
Christen auf, fühlte den Umhang an seinen Schultern wie ein bleiernes Gewicht.
Er wendete sich ab, doch plötzlich bemerkte er
ein Zupfen an seiner Kleidung. Das Mädchen hatte danach gegriffen und musterte
ihn nun mit großen Augen.
„Ist es das Vaterland wert, dafür zu sterben?
Seid Ihr es wert, dass man Euch in den Krieg folgt?“ Sie senkte den Kopf,
umfasste fester die Schultern ihres Bruders und trieb ihn vor sich zurück in die
Volksmassen.
Christen sah den beiden hinterher und
registrierte zu spät, dass dort, wo die Wachtposten die Schranken lösten, um die
Kinder hindurch zu lassen, plötzlich eine ganze Schar von Menschen durchplatzte.
Sofort hüllten sie den Prinzen ein.
Die Wachtposten schrieen, konnten die Lücke in
ihren Reihen nicht mehr schließen, da sie selbst niedergerissen wurden.
Immer mehr Männer und Frauen bahnten sich ihren
Weg.
„Segnet mich, wie Ihr diesen Jungen gesegnet
habt!“
„Sein Haar soll Heilkräfte in sich bergen! Gebt
mir eine Strähne davon!“
„Willkommen, Prinz Christen! Ehre Euch und Euren
Männern!“
„Kratzt ihm die Augen aus! Ein Weib im Sattel
brauchen wir nicht als zukünftigen König!“ strömten die Stimmen um ihn herum auf
ihn ein.
Die gierigen Hände, die nach ihm griffen, die
sein Gesicht berührten, an seinen Haaren zogen und ihn immer wieder zu
Boden drückten, wirkten so unwirklich in jenem
Augenblick.
Er versuchte mehrmals aufzustehen, aber
verflucht, sie standen auf seinem Umhang, seinen Kleidern und hielten ihn am
Boden. Wollten sie ihn in ihrer Gier erdrücken?! Sollte dies seine gerechte
Strafe sein für all das Blut, welches auf seine Befehle hin geflossen war?!
Und er musste immer wieder an die Worte des
Mädchens denken, an ihre vorwurfsvollen Blicke, die sich tief in seine Seele
gefressen hatten.
Nein, vermutlich war er es nicht wert, dass man
ihm bedingungslos in den Krieg folgte.
Aber er war auch nicht verantwortlich für die
Entscheidungen seiner Männer, für ihren Kampfgeist oder ihre
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