Ashes to Ashes (German Edition)
Unachtsamkeit. Er
hatte doch nie…
Ein braunes Cape drängte sich in Christens
Blickfeld. Er beobachtete große Hände, die an den Laschen seines Umhanges zogen.
– Erst rechts, dann an der linken Seite, bis er plötzlich am Arm gepackt und auf
die Beine gezogen wurde. Aus den Augenwinkeln erspähte er seinen am Boden
liegenden Umhang, hatte sich schon gefragt, weshalb seine Schultern plötzlich so
leicht waren.
Wie von selbst ließ er sich von der unbekannten
Person führen, sie bahnten sich einen Weg durch die Menge.
Verwundert stierte er auf die Kapuze seines
Gegenübers, fragte sich, weshalb niemand sie bis jetzt heruntergerissen hatte,
denn noch immer drängten sich von allen Seiten Menschen um sie.
Irgendwann standen sie vor Christens Pferd. Er
bekam die Zügel zugereicht und blickte in Duncans lächelndes Gesicht, auf dem
unter der Kapuze weiche Schatten spielten.
Christen kräuselte verwundert die Brauen.
„Aber… wie hast du…?“, wollte er wissen,
stockte, als ihm sein Gegenüber mit einem Kopfnicken zu verstehen gab,
aufzusitzen.
Er gehorchte und nachdem er endlich im Sattel
saß, suchte er noch einmal die Blicke des jungen Ritters.
„Ich sagte, ich würde an Eurer Seite sein! Nicht
in Eurem Tross, aber an Eurer Seite“, zwinkerte ihm jener spitz zu.
„Und jetzt setzt Euren Marsch fort, dass sich
die Menge wieder beruhigt und ihrer Gier Genüge getan wird!“
„Mein Umhang…“, erinnerte sich Christen, doch
Duncan klopfte bereits auf die Schenkel des Pferdes, damit es sich in Bewegung
setzte.
„Der wird jemandem ein kleines Vermögen
einbringen, wenn er ihn auf dem Markt verkauft!“
Christen konnte noch die Stimme des Ritters in
seinen Ohren nachklingen hören, aber als er hinab blickte, war Duncan
verschwunden, hatte sich im Treiben der Menge aufgelöst, genauso plötzlich, wie
er aufgetaucht war.
Allmählich gelang es den Wachtposten, die Meute
zurück in ihre Schranken zu weisen, auch wenn sie es nur mit Waffengewalt
schafften.
„Da bist du ja!“, raunte Erik an Christens Seite
dem Prinzen plötzlich laut zu, strich sich die aufgewühlten Haare zurück hinter
die Ohren. Wahrscheinlich hatte er versucht, ihn irgendwo in der Meute zu
finden. Oder es sollte zumindest den Anschein machen, dass er nicht tatenlos
zugesehen hatte, wie der künftige Herrscher des Landes vom eigenen Volk
zertrampelt wurde. Auch wenn er vielleicht selbst Schuld daran gewesen wäre, wo
er so unbesonnen gehandelt hatte und abgestiegen war…
„Der Pöbel wird immer frecher! Es wird Zeit,
dass neue Gesetze erlassen werden, die ihn in seine Schranken weisen!“
Christen hörte Erik gar nicht zu, sondern
verweilte gedanklich noch ein wenig bei Duncan, bis der Tross schließlich das
Schlosstor erreichte und in den Hof ritt.
Der Staat wartete bereits. Auch der König und
die Königin thronten auf eigens für sie errichteten Stühlen aus edlem schweren
Holz.
Sie ritten langsam ein und saßen ab. Trompeten
schmetterten ein freudiges Willkommen. Christen trat vor seine Eltern, an seiner
Seite ging Erik.
Sie verbeugten sich tief. Dem Prinzen wurde erst
jetzt bewusst, wie sehr ihm das Herz in der Brust schlug.
„Erhebt euch, meine tapferen Soldaten!“, gebot
der König mit tiefer klangvoller Stimme, während er mit ausgebreiteten Armen auf
seinen Sohn zuschritt.
„Willkommen daheim, Christen!“
Christen hatte mit einer festen Umarmung
gerechnet, so wie es sein Vater immer tat, wenn er stolz auf ihn war, doch sie
blieb aus.
Stattdessen legte Alba ihm nur die Hand auf die
Schulter, beinahe so fest, dass die Berührung unangenehm schmerzte, weil sich
die Finger des Königs in Christens Schulter krampften. Seine Schroffheit passte
nicht zu dem Lächeln, welches um seine Mundwinkel spielte, doch sehr wohl zu dem
zornigen Funkeln in seinen fahlen Augen, das wahrscheinlich nur Christen in
jenem Moment erkennen konnte.
Einen Augenblick lang verharrten Vater und Sohn
und Christen fühlte, wie sein Mut sank. Enttäuschung.
War es denn wirklich Enttäuschung, die er in der
Miene seines Gegenübers zu lesen meinte?
Aber er konnte nicht lange genug in das Gesicht
des Königs blicken, um seine Züge weiter zu deuten, denn sein Vater wendete sich
schließlich Erik zu.
„Du hast ihn wohlbehalten zurück gebracht und
deine Aufgabe hervorragend erledigt, Ritter!“
Niemand bemerkte, wie Christen bei diesen Worten
die Zähne zusammen biss, so fest,
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