Ashford Park
Minuten lang gelang es ihr, sich einzureden, dass Scheidungen ja heutzutage nichts Seltenes mehr seien und Bea ohne Frederick sowieso glücklicher wäre. Dann dachte sie an die Mädchen, die Zeitungen, den Skandal und an Bea, das kleine Mädchen mit den Zöpfen, das ihr das Reiten beigebracht hatte, und schon war sie wieder da, wo sie angefangen hatte.
Erst in den frühen Morgenstunden war sie schließlich eingedämmert, aber kurz danach wieder geweckt worden von lauten erregten Stimmen. Die eine war die von Frederick, unüberhörbar wütend. Die andere war Beas, die seine Worte mit einem klirrenden Lachen quittierte. Dann folgte ein splitterndes Geräusch, als hätte jemand Glas zerschmettert.
Addie wartete atemlos, aber danach war nichts mehr zu hören. Als sie den Mut fand, sich aus dem Zelt zu schleichen, brannte bei Frederick und Bea kein Licht mehr. Ihre Stimmen waren gerade so weit gedämpft gewesen, dass sie nicht hatte hören können, worum es bei dem Streit ging. Raoul? Vaughn? Oder um sie? Krank vor Schuldgefühl und Verbitterung, war sie wieder in ihr Feldbett gekrochen.
Die Sonne blendete sie, als sie nun die Zeltklappe hob. Es musste später sein, als sie gedacht hatte. Der Morgendunst hatte sich schon gelichtet, die Sonne schien warm und ungetrübt.
«Haben Sie Bea gesehen?» Raoul marschierte in glänzend polierten Stiefeln vor der Feuerstelle auf und ab. «Sie ist nicht bei Ihnen?»
«Nein. Warum?» Addie schirmte ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne ab. Sie fühlte sich noch unausgeschlafener als sonst, irgendwie benebelt und dumpf im Kopf. «Ist sie denn noch nicht auf?»
Budgie, der sein Gewehr putzte, blickte auf. «Nirgends eine Spur von ihr.» Er zog vielsagend die Brauen hoch. «Und von Val auch nicht.»
«Sollte er nicht heute einen Erkundungsflug machen?» Ihr Verstand arbeitete nur schleppend. Sie unterdrückte ein Gähnen. «Vielleicht hat Bea ihn begleitet.»
Raoul schimpfte leise auf Französisch vor sich hin.
Budgie warf Addie einen entschuldigenden Blick zu. «Eigentlich sollten wir drei heute Morgen losziehen. Jetzt ist es allerdings ein bisschen spät dafür.»
«Sie hat es bestimmt einfach vergessen», sagte Addie beschwichtigend, doch sie hatte noch das Geräusch von zersplitterndem Glas im Ohr. In der Wut konnte Bea unberechenbar sein. Sosehr Addie sie liebte, allmählich ging ihr die Geduld aus.
Oder suchte sie nur nach einer Rechtfertigung dafür, Bea den Mann wegzunehmen?
Die Klappe von Frederick und Beas Zelt flog auf, und Frederick tappte in die Sonne hinaus. Er war noch unrasiert, und über eine Wange zog sich ein langer, tiefer Kratzer. Beas Werk? Addie wurde fast übel.
«Sie sehen aus wie eine wandelnde Leiche», sagte Budgie vergnügt.
Frederick kniff vom Sonnenlicht geblendet die Augen zusammen. «Doch noch so gut? Dann sehe ich offensichtlich besser aus, als ich mich fühle. Was zum Teufel war in diesen Drinks gestern Abend?» Er warf einen demonstrativen Blick auf die silberne Kaffeekanne. «Ist noch Kaffee da?»
Budgie wies zum Tisch. «Bedienen Sie sich.»
Addie wollte schon zum Tisch gehen, doch dann hielt sie inne. Wie kam sie dazu, Frederick den Kaffee einzuschenken? Solche Gesten waren es, die sie verrieten.
Frederick brachte ihr eine Tasse. «Du siehst aus, als könntest du das gebrauchen.»
Es war Tee, kein Kaffee, genau so zubereitet, wie sie ihn mochte, backsteinrot mit einem Schuss Sahne und ohne Zucker. Sie hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft vor Wut und Enttäuschung. Sie hätte die Tasse am liebsten an den nächsten Baum geschleudert und in tausend Scherben gehen sehen. Sie hätte am liebsten gewütet und getobt und Porzellan zerschlagen wie Bea.
Doch ihre Hand war erstaunlich ruhig, als sie ihm die Tasse abnahm. «Danke», sagte sie steif.
«Ist das Kaffee?» Val Vaughn kam lässigen Schritts auf die Lichtung und nahm seinen Schal vom Hals.
«Wo ist Bea?», fragte Frederick.
«Woher soll ich das wissen?» Vaughn bediente sich aus der Kanne auf dem Tisch. «Gibt es noch etwas zu essen, oder habt ihr alles verputzt?»
«Ist Bea nicht mit Ihnen geflogen?», fragte Addie.
«Heute Morgen nicht, nein.» In seiner ledernen Fliegerjacke, die über einem weißen Hemd offen stand, lehnte sich Vaughn an den Tisch. «Ich habe nur eine schnelle Runde gedreht, um zu sehen, wo die Herden wechseln.»
«Sie lügen doch», rief Raoul hitzig. «Sie sind mit ihr weggelaufen.»
Vaughn musterte ihn spöttisch. «Ich sag’s nicht gern,
Weitere Kostenlose Bücher