Ashford Park
mir für immer böse, weil ich mich damals wie ein Idiot benommen habe? Wenn ja, dann ist das dein gutes Recht, aber bitte moralisiere nicht.»
«So ist es doch gar nicht.» Es war ihr eine Qual, mit ihm zu streiten. Alles hier war ihr eine Qual. «Aber du kannst nicht einfach Bea die Schuld geben. Entweder war keiner von euch schuld, oder ihr wart beide schuld.»
«Addie.» Er wollte wieder ihre Hand ergreifen, doch sie entriss sie ihm.
«Es ist doch sowieso völlig egal. Wir können nichts tun. Jedenfalls nicht, ohne alles noch schlimmer zu machen.» Sie kniff die Augen zusammen, um die Tränen zurückzudrängen. «Wir haben uns die Suppe selbst eingebrockt.»
«Du meinst, ich habe sie uns eingebrockt», sagte Frederick mit leiser und rauer Stimme.
«Wir alle. Ich kann mich selbst auch nicht freisprechen.» Sie versuchte, die Tränen wegzuzwinkern. «Und ich habe es durch mein Bleiben nur schlimmer gemacht.»
«Hör auf, dir selbst Vorwürfe zu machen. Du kannst nichts dafür. Es war meine Dummheit.
Meine
Dummheit. Wenn ich die Uhr doch nur zurückdrehen könnte.»
«Aber das kannst du nicht. Und woher willst du wissen, dass du nicht nach fünf Jahren mit mir auch gern die Uhr zurückdrehen würdest? Vielleicht geht es dir dann wie jetzt. Vielleicht empfindest du dann den gleichen Groll gegen mich wie jetzt gegen Bea.»
«Niemals», sagte er, ohne einen Moment zu zögern. Als Addie zu ihm hinaufschaute, bemerkte sie, dass er sie betrachtete, als wollte er sich jeden einzelnen Zug ihres Gesichts für immer einprägen. «Mit dir ist es etwas ganz anderes», erklärte er leise. «Ich will nur dich. Dich ganz allein. Für immer.»
Es wäre leichter gewesen, ihm zu widersprechen, wenn sie nicht genauso empfunden hätte. Mit David war es niemals so gewesen. Sie konnte David nicht heiraten, das wusste sie jetzt. Eines Tages vielleicht würde ein anderer kommen … Aber Frederick würde es nicht sein. Es war ein furchtbarer Gedanke.
Frederick sprach aus, was sie nicht zu denken gewagt hätte. «Wenn Bea nicht wäre …»
In Budgies Zelt hüpfte die Grammophonnadel hicksend über die gesprungene Platte, und die Klarinetten schmetterten. Addie hörte jetzt die anderen in der Nähe des Lagers, Beas rauchige Altstimme und Vaughns lässiges Nuscheln.
«Es muss gleich Zeit zum Abendessen sein», sagte sie mit gepresster Stimme. Sie wollte ihm die Hand reichen und ließ es. «Kommst du?»
«Noch nicht. Ich bleibe noch eine Weile hier.» Ein Schatten schob sich wie eine Maske über sein Gesicht. «Ich muss nachdenken.»
Kenia, 1927
A ddie erwachte mit Kopfschmerzen.
Sie zog die Ellbogen dicht an sich und grub sich tiefer in ihr Bettzeug, doch es half nichts. Das Licht, das grell durch die Zeltbahn fiel, und der Lärm draußen sagten ihr, dass der neue Tag längst begonnen hatte. Es gehörte zu den vielen unerfreulichen Seiten der Safari, dass die Jäger morgens immer schon beim ersten Tageslicht auf den Beinen waren. Addie hatte weder für frühes Aufstehen noch für die Jagd je viel übriggehabt.
Heute Morgen schien es ihr noch lauter zuzugehen als sonst, die Träger unterhielten sich weithin hörbar auf Swahili, irgendjemand sang, und der Koch klapperte mit seinen Töpfen. Die Geräusche hämmerten auf ihren Kopf ein.
Lustlos stand sie auf und zog zur losen Bluse eine lange Hose an, die auf einer Safari zur Standardausrüstung gehörte. Sie war es gewohnt, Röcke zu tragen, und fühlte sich darin immer noch unbehaglich und wie nicht richtig angezogen. Sie hatte schlecht geschlafen. Frederick war am Abend lange weggeblieben, und als er endlich kam, war er schweigsam und in sich gekehrt. Er beteiligte sich beim Abendessen auch kaum am Gespräch. Hinterher wurde getanzt, doch Frederick war verschwunden. Auch Bea verschwand kurz danach mit Val und kam eine Stunde später weit angeregter als vorher zurück. Raoul war wütend gewesen. Er hatte sich alle Mühe gegeben, einen Streit mit Vaughn vom Zaun zu brechen, aber der hatte ihm nur geraten, sich zu beruhigen, und ihm ‹zur Abkühlung›, wie er sagte, einen Gin Fizz ins Gesicht gekippt.
Was danach passierte, hatte Addie nicht mitbekommen. Sie war gründlich angewidert von allen, einschließlich sich selbst, zu Bett gegangen.
Doch statt zu schlafen hatte sie wachgelegen und sich ohne weiterzukommen mit der Frage herumgeschlagen, ob es moralisch zu verantworten sei zu bleiben oder ob es ihre moralische Pflicht sei abzureisen. Skylla oder Charybdis? Fünf selige
Weitere Kostenlose Bücher