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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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wirkte blass im Vergleich, wie ein verregnetes Aquarell. Addies Vater hatte auch blonde Haare gehabt, aber das Blond von Onkel Charles war viel heller und mit Weiß untermischt. Alles an ihm war lang und dünn, von der langen, schmalen Nase bis zur langen, schmalen Hand auf dem Arm seiner Frau.
    Sie starrten sie beide an. Addie zog ihren Kopf zwischen die Schultern ein. Wäre sie doch im Schrank geblieben. Sie waren überhaupt nicht wie die Freunde ihrer Mutter, die ihr Süßigkeiten schenkten, um sie aufzumuntern, oder sie auf einen Stuhl hoben und sich von ihr unter großem Applaus Fernies Gedichte vortragen ließen.
    «Sag guten Tag zu deiner Tante und deinem Onkel, Addie», bat Fernie nervös.
    «Junge Damen», bemerkte Lady Ashford, «kriechen nicht in Schränken herum.»
    Addie schob das Kinn vor. «Dann bin ich eben keine junge Dame», erwiderte sie trotzig. «Ich wäre sowieso lieber ein Igel.»
    Bei solchen Bemerkungen von Addie schüttelte Fernie immer den Kopf und gab ihr einen Kuss auf die Wange, und die Freunde ihrer Eltern lachten.
    Tante und Onkel lachten nicht. Lady Ashford machte ein triumphierendes Gesicht. Lord Ashford ein ernstes.
    Lady Ashford warf ihrem Mann einen vielsagenden Blick zu. «Der im Schmutz wühlt, ich verstehe», sagte sie.
    «Nein, nein», widersprach Addie, fassungslos über so viel Ahnungslosigkeit. «Frau Tiggy-Wiggel wühlt nicht im Schmutz. Sie wäscht Luzie ihre Taschentücher und macht sie wieder schön sauber. Sie wäscht Henny-pennys Strümpfe und Tigerkätzchens Handschuhe und –»
    «Addie», mahnte Fernie leise.
    «Aber es stimmt doch.»
    «
Absolut
unerzogen», sagte Lady Ashford und fragte Fernie: «Haben Sie ihre Sachen gepackt?»
    Fernie nickte. «Addies Kleider sind gepackt, aber es sind noch Mr. und Mrs. Gillecotes Sachen hier. Ich wusste nicht, was Sie mit ihnen vorhaben, ob Sie sie mitnehmen oder für Addie aufheben wollen.» Sie sah Onkel Charles sorgenvoll an. «Das Haus war möbliert gemietet, aber es sind, nun, kleinere, persönliche Dinge da. Und alle ihre Bücher natürlich.»
    «Wir wollen nichts davon haben», entschied die Tante in herablassendem Ton. «In Ashford gibt es Bücher genug.»
    «Wenn Sie etwas zum Andenken behalten wollen …», fügte Onkel Charles diplomatisch hinzu.
    Fernie schüttelte wie betäubt den Kopf. «Nein, das könnte ich nicht. Aber Addie sollte doch die Bücher ihrer Mutter behalten, für später, wenn sie alt genug ist, um sie zu lesen.»
    Die Tante ignorierte sie. «Ich nehme an, das Kind hat einen Mantel?»
    Addie wollte protestieren, doch Fernie legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte fest zu. Addie schaute zu ihr hinauf, und Fernie schüttelte mahnend den Kopf. Addie sah ihre Tante und ihren Onkel an, dann wieder Fernie und klammerte sich an ihre Hand. Sie wollte weinen, aber sie konnte nicht; nicht vor dieser neuen Tante mit dem harten, kalten Blick und dem Onkel, der hätte aussehen müssen wie ihr Vater und es nicht tat.
    Während der Chauffeur Addies Gepäck hinaustrug, knöpfte Fernie ihr den Mantel zu. «Hab keine Angst, Liebchen», flüsterte sie. «Tu einfach so, als wärst du eine Prinzessin in einem Turm.»
    Addie umschlang Fernie mit beiden Armen und drückte sie so fest, wie sie konnte, während sie ein letztes Mal den Duft ihres Rosenwassers einatmete. «In einem ganz hohen Turm.»
    «Aber eine sehr tapfere Prinzessin.» Auch Fernie umarmte sie fest, bevor sie sie losließ und behutsam Addies Arme von ihrem Hals löste. «Warte. Warte hier einen Moment.»
    Sie verschwand mit wirbelnden Röcken und kam einen Moment später atemlos und mit geröteten Wangen zurück.
    «Hier», sagte sie und drückte Addie ein dünnes Bändchen in die Hand, das billig in rosafarbenes gemasertes Papier gebunden war.
    Es war Fernies eigene Ausgabe von Christina Rossettis
Goblin Market
, Addies Lieblingsgedicht. Fernie hatte es ihr immer wieder vorlesen müssen, während sie das Gackern und Glucksen und Fratzenschneiden der Goblins nachgeahmt und abwechselnd Lizzie oder Laura gespielt hatte, die wagemutige Schwester oder die vorsichtige.
    «Hier.» Fernie schloss Addies Hand um das Buch. «Lies es und denk dabei an mich.» Sie beugte sich tiefer und senkte die Stimme. «Wenn ich du wäre, würde ich es Tante und Onkel nicht zeigen.»
    Addie schob es unter ihren Mantel. Fernie hatte wahrscheinlich recht. Still und bedrückt nahm sie ihren Platz in Onkel Charles’ Wagen ein.
    «Ashford», hörte sie ihn dem Fahrer

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