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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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Im Stehen fühlte sie sich besser. «Falls du es noch nicht gemerkt haben solltest, bei uns geht’s nicht gerade zu wie in
Drei Jungen und drei Mädchen
. Niemand in unserer Familie redet viel über Persönliches.» Außer vielleicht Tante Anna, und selbst sie hatte die Kunst, viel zu reden und wenig zu sagen, gemeistert. «Wir gehören nicht zu denen, die sich ständig mitteilen müssen.»
    Jon, der bequem auf dem Schlafsofa fläzte, schaut zu ihr hinauf. «Zwischen ständigen Ergüssen und normalem Informationsaustausch besteht ein Unterscheid. Ich weiß nicht viel von meinen Großeltern, aber das Grundlegende weiß ich, zum Beispiel, wo sie groß geworden sind.» Sein Gesicht verdüsterte sich. «Und wo sie gestorben sind.»
    Clemmie neigte fragend den Kopf. Ihr tat schon der Nacken weh von diesem dauernden Nach-unten-Sehen. Sie hockte sich vorsichtig auf die Ecke des Sofas.
    «Auschwitz. Beide Eltern meines Vaters.» Jon klopfte mit einem Finger an das Buch. «Verlass dich drauf, ich würde gern mit dir tauschen.»
    «Es ist einfach zu bizarr», sagte Clemmie. «Wie aus einem Roman von Frances Hodgson Burnett.»
    Jon grinste. «Du würdest einen sehr niedlichen kleinen Lord abgeben. Besonders mit diesem Haarschnitt. Wie hieß der Junge gleich wieder?»
    Clemmie hob die Hände. «Keine Ahnung.
Der geheime Garten
war immer eher meins.»
    Jon drückte ihr das Buch wieder auf den Schoß und beugte sich über ihren Arm, um darin zu blättern.
    «Siehst du das?» Er deutete auf den Tafelaufsatz mit den Elefanten.
    «Ist ja wohl kaum zu übersehen.» Er roch nach gewöhnlichem Schuppenshampoo, Old Spice und Waschmittel. Männergerüche. Gerüche nach ‹faulem Sonntagmorgen im Bett›.
    Sie musste unbedingt wieder mehr ausgehen, sehen, was sich so tat auf dem Markt. Clemmie zwang sich, Jon wieder zuzuhören.
    «Anscheinend wurde Granny Addies Onkel beinahe zum Viceroy von Indien ernannt.» Als er Clemmies verständnislosen Blick sah, erklärte er: «Der Viceroy war der Gouverneur von Indien. Er spielt König anstelle des Königs. ‹Vice› von ‹anstelle von›, und ‹roy› von ‹roi›, also König. Er ist der Stellvertreter des Königs. Daher der Name.
    «Deine Studenten müssen hingerissen sein von dir», stellte Clemmie trocken fest. «Und was ist passiert?»
    Jon lachte. «Sie haben einen anderen genommen. Was der gute Lord Ashford offenbar nie verschmerzte. Er schleppte jeden indischen Nippes an, den er kriegen konnte, um alle Welt daran zu erinnern, dass er es beinahe mal nach drüben geschafft hätte.»
    «Na, Nippes würde ich das nicht nennen.» Clemmie strich sich die Haare hinter die Ohren und stellte die Frage, die schon die ganze Zeit an ihr nagte. «Und woher weißt du das alles?»
    «Weil ich gefragt habe.»
    Clemmie bedachte ihn mit dem starren Blick, den sie bei nervigen Kollegen einsetzte.
    «Das ist mein Fach», erinnerte er sie. «Moderne britische Geschichte. Ich bin durch Zufall auf Material über die Familie gestoßen, also eure Familie», korrigierte er sich, «als ich an meiner Dissertation gearbeitet habe. Und da habe ich Granny Addie danach gefragt.»
    «Wann war das?», fragte Clemmie.
    Jon rechnete nach. «Gleich nach meinem Forschungsjahr in London. Das muss, warte mal, neun Jahre her sein. Eine ganze Weile.»
    «So lange weißt du das alles schon?» Clemmie schob das Buch von ihm weg, schlug es zu und legte die Hände auf den Einband.
    Jon seufzte. «Schau doch mal», sagte er, und einen Moment hörte er sich beunruhigend wie Tante Anna an, die mit Vorliebe diesen Ausdruck gebrauchte und im gleichen Ton. «Es war wahrscheinlich leichter für Granny Addie, mit mir zu reden. Ich gehöre ja nicht zur Familie. Das hat es einfacher gemacht.»
    Clemmie nickte langsam. «Okay», sagte sie. «Das leuchtet mir ein.» Obwohl es eigentlich nicht so war. «Und du hast gefragt.»
    «Das ist keine besondere Kunst», sagte er und suchte mit seinen grünbraunen Augen ihren Blick. «Du kannst auch fragen. Wenn du wirklich willst.»
    Ja, aber würde Granny Addie ihr noch antworten können? «Das klingt wie eine Mutprobe.»
    «Sollte es nicht sein.» Jon stand vom Sofa auf. Es schien irgendwie kälter ohne ihn. Er sah zu ihr hinunter. «Wissen ist ein zweischneidiges Schwert. Du musst entscheiden, ob es lohnt, sich daran zu schneiden.»
    «Hast du das aus einem Glückskeks?» Steif vom unbequemen Sitzen, stand Clemmie auf. «Du hast doch irgendwo meinen Mantel hingelegt, oder?»
    «Auf den Stuhl.

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