Ashford Park
gefunden.»
«Kollegen», korrigierte Clemmie. Nur für den Fall, dass er glaubte, sie säße hier aus lauter Vergnügen mit Paul zusammen. «Danke nochmals für das Taxi heute Morgen. Sie haben mich gerettet.»
«Es war mir ein Vergnügen», erwiderte er so herzlich, als lebte er nur dafür, nervtötenden amerikanischen Geschäftsleuten Taxis zu besorgen. Was er, wenn er ein Hotel führte, wahrscheinlich auch tat. «Ich hoffe, es gefällt Ihnen bei uns.»
«Es würde mir besser gefallen, wenn Sie mir ein paar extra Handtücher aufs Zimmer schicken ließen», sagte Paul.
«Aber natürlich.» Clemmie bewunderte ihn dafür, dass er Paul nicht eins mit der Weinkarte überzog. «Ich werde dafür sorgen. Einen schönen Abend.» Sein höfliches Nicken bezog sie alle ein.
«Entschuldigen Sie.» Clemmies Stimme hielt ihn auf, als er sich schon zum Gehen hatte. «Entschuldigen Sie, äh …» Wie redete man einen Marquis an? Euer Lordschaft? Milord? Jon wüsste es.
Er drehte sich langsam um. «Ja?»
Wahrscheinlich glaubte er, sie wolle jetzt auch zusätzliche Handtücher haben. Clemmie schob die Speisekarte weg und stützte beide Ellbogen auf den Tisch. «Die Frau dort auf dem Bild. Hieß sie Bea? Ich meine, Beatrice?»
«Was?», fragte Paul.
Der Marquis sah sie erstaunt an.
Clemmie wedelte mit den Händen. «Vergessen Sie’s. Das war eine blöde Frage. Es ist nur, ach, nichts.»
«Nein.» Der Marquis räusperte sich und strich sich das lockige braune Haar aus der Stirn. «Das ist durchaus keine blöde Frage. Sie war eine geborene Lady Beatrice Gillecote.» Er sprach den Namen aus wie Granny, mit hartem G. «Studieren Sie Geschichte? Interessieren Sie sich für diese Epoche? Wir haben immer wieder amerikanische Gäste, die unsere Geschichte …»
Ha. Sie konnte Jon lachen hören. Sie hatte ihre gesamten Geschichtskenntnisse aus Mel Brooks’
Die verrückte Geschichte der Welt
und aus Ken Folletts Büchern. Sie schaute sich nicht einmal BBC -Kostümserien an.
«Nein, nein. Sie ist eine entfernte Verwandte. Sie war die Cousine meiner Großmutter.»
«Dann sind wir ja auch verwandt. Könnte man sagen», fügte er einschränkend hinzu und erklärte beinahe entschuldigend: «Lady Beatrice war die erste Frau meines Großvaters.»
«Also keine Blutsverwandtschaft», stellte der immer praktische Harold fest.
«Bekommen wir Angehörigenrabatt?», witzelte Paul.
Das Lächeln des Marquis wurde ein wenig gequält. «Die Verbindung ist doch ziemlich entfernt. Lady Beatrice war die erste Frau des fünften Marquis.»
Es hörte sich an wie eine Logikaufgabe aus der Zulassungsprüfung für das Jurastudium. Wenn die erste Frau des fünften Marquis fünfzig Meilen in der Stunde zurücklegte und die zweite Frau des vierten Marquis sechzig, wem würde dann die Tiara zuerst vom Kopf fallen?
«Hat sie hier gelebt?», fragte Clemmie.
Es war schwer, sich Rivesdale House als Privathaus vorzustellen, und noch schwerer, dass ihre Großmutter hier vielleicht zu Gast gewesen war. In Clemmies Welt existierten solche Prachthäuser nur als Hotels oder Museen. Ob Granny wohl hier Tee getrunken, vielleicht oben im Schlafzimmer mit ihrer Cousine Geheimnisse ausgetauscht hatte? Oder hatte sie vielleicht zugesehen, wie das neue Porträt ihrer Cousine an der Wand des Speisesaals aufgehängt wurde, und war dann ein paar Schritte zurückgetreten, um es gebührend bewundern zu können?
«Ja, Lady Beatrice hat hier gelebt», antwortete der Marquis mit mehr Zurückhaltung, als der Frage eigentlich angemessen war. «Jedenfalls eine Zeitlang.»
«Eine Zeitlang?», wiederholte Clemmie.
Der Marquis blickte zu dem Porträt hinauf. «Sie waren nur zwei Jahre verheiratet.»
Kapitel 10
London, 1920
H ättest du mir Bescheid gesagt, dass du fährst?», erkundigte sich Bea mit falscher Freundlichkeit. «Oder wärst du einfach gefahren?»
«Verflixt.» Marcus stieß gegen ein Piedestal und schaffte es mit knapper Not, die hohe chinesische Vase, die darauf stand, zu fangen, bevor sie umstürzte.
An den Türrahmen gelehnt, sah Bea kühl zu, wie er mit dem Ding kämpfte. Sie hatte ihn im robusten Tweedanzug ertappt, die Hand am Türknauf des Ankleidezimmers, wieder einmal auf dem Sprung zu einem langen Wochenende auf dem Land, ohne sie mitzunehmen.
«Ach, du Armer», sagte sie mit geheucheltem Mitgefühl. «Habe ich dich erschreckt?»
Er rückte die Vase mit einem letzten Handgriff zurecht, bevor er sie mit einem verkrampften Lächeln ansah. «Äh,
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