Ashford Park
unterwegs und ob Addie ihr bitte die Orangenmarmelade reichen würde.
Mit der alten Clique unterwegs. Das ganze Ausmaß des Verrats traf sie mit der Gewalt einer Flutwelle, die ihr den Boden unter den Füßen wegzog. Bea und Frederick. Frederick und Bea. Sie hatten sie belogen. Belogen und hintergangen.
Wie lange schon? Addie durchwühlte fieberhaft den Schatz liebevoll gehüteter Erinnerungen an all die Monate, als sie anbetend zu ihm aufgesehen hatte, ihm so dankbar gewesen war, wenn er ihr in den Mantel geholfen oder sie in ein Taxi gesetzt hatte, als sie mit ihm diese widerwärtigen Klubs besucht hatte, wo man es vor Lärm und Parfümschwaden kaum aushalten konnte. War damals schon etwas zwischen Bea und Frederick gewesen? Hatte er jedes Mal, wenn er mit ihr tanzte, über ihre Schulter hinweg nach Bea gesehen?
Und sie hatte geglaubt, er wäre anders. Er war so weltgewandt. Nicht auf die Art wie Bea und ihre Clique, nicht seicht und oberflächlich, sondern belesen, kultiviert, nachdenklich. Er besaß alles, was Addie sich immer gewünscht hatte. Alles, was sie sich bei ihm gewünscht hatte.
«Ist es von mir?» Die Tür zum Salon stand nur einen Spalt offen, aber das war genug. Addie konnte jedes Wort hören. Sie sollte das natürlich nicht tun, an der Tür stehen und lauschen wie ein neugieriges Dienstmädchen, aber sie konnte nicht anders.
«Ich wüsste nicht, was dich das anginge», sagte Bea von oben herab. Addie konnte sich ihr Gesicht genau vorstellen, das erhobene Kinn, die geringschätzige Miene.
Sie kannte Beas Gesicht so gut wie ihr eigenes, in all seinen Stimmungen. Niemals würde Bea ihr so etwas antun, ganz bestimmt nicht. Sie wusste doch, was Addie für Frederick empfand. Sie waren Schwestern, mehr als Schwestern, einander näher als Schwestern, einander verbunden durch Jahre gemeinsamer Geheimnisse, geteilter Leckerbissen, mutigen Einstehens füreinander, wenn eine von ihnen – meistens Bea – sie in Schwierigkeiten brachte.
Doch Bea war auch diejenige, die mit Charme und Schläue dafür sorgte, dass sie sich aus solchen Situationen immer wieder herauslavieren konnten.
Addie drückte sich die Faust auf den Mund. Sie wollte nicht denken, was sie dachte. Sie wollte der schrecklichen Gewissheit entfliehen, dass das, was sie hörte, wahr war, dass das ganz Bea war. Bea tat immer, was sie wollte, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, ohne Rücksicht selbst auf Addie.
Sie hatte immer gewusst, dass Bea es mit der Wahrheit, nun, nicht immer so genau nahm. Sie verfügte über das Talent eines Politikers, die Dinge so darzustellen, wie es für sie von Vorteil war, und das zur Tugend zu machen, was ihren Wünschen entgegenkam. Addie hatte es immer wieder erlebt. Entweder geschah es, wie Bea wollte, oder gar nicht. Wenn dabei manchmal die Interessen anderer verletzt wurden, so hatte sie immer eine Rechtfertigung zur Hand. Soundso war sowieso zu dick, für den war der Kuchen ohnehin nicht gut. Bea tat ihnen allen nur einen Gefallen. Man konnte es nicht direkt Lügen nennen, denn sie glaubte am Ende immer selbst, was sie da sagte, als ob man es durch das Erzählen wahr werden lassen könnte.
Addie konnte Bea jetzt beinahe hören, so voll honigsüßen Mitgefühls, wie nur Bea sein konnte. Wie sie sagte, wirklich, Liebes, es war nur zu deinem Besten. Er war nicht der, für den du ihn gehalten hast, Goblinfrucht, erinnerst du dich, ich habe dich gewarnt.
Nein. Ihr würde Bea so etwas niemals antun. Bea hätte nicht … Addie suchte nach Worten, in die sie ihre Gedanken gießen könnte, aber manche Dinge waren zu grausam, um sie in Worte fassen zu können, zu grausam, um sie in schlichter Prosa zu hören.
Doch es war da, direkt vor ihr, auf der anderen Seite der Salontür.
«Die Sache», sagte Frederick, und Addie zerriss es fast das Herz beim Klang seiner Stimme, der so vertraut und doch so fremd war.
In diesem Ton hatte er mit ihr nie gesprochen. Sie hatte immer eine gewisse Verhaltenheit bei ihm gespürt, als kontrollierte er sich und übte besondere Vorsicht. Es war wie bei einem Messer, über dessen Klinge man eine Schutzhülle gezogen hatte. Jetzt lag die Klinge blank, seine Stimme war schneidend scharf.
«Sache», wiederholte Frederick. «Eine interessante Wortwahl. Es war meine Sache. Bis du mir das hier geschickt hast. Die Frage ist, was ist sonst noch meine Sache?»
«Nichts», entgegnete Bea mit Entschiedenheit. «Ein ehelich geborenes Kind …»
Frederick unterbrach sie. «Wann warst
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