Ashton, der Heißbluetige
murmelte Gunna. „Sie muss ihn erst noch als das erkennen, was er ist. Wenn sie das allerdings tut, dann fürchte ich mich davor, was es ihr antun wird.“
„Ihr eine bisher ungekannte Vorliebe für Sünden geben, vermute ich.“
Gunnas schiefer Mund verzog sich missbilligend. Auch | wenn es schwierig war, einen Gesichtsausdruck in ihren zerstörten Zügen zu erkennen, hatte er schon vor langem gelernt, in ihrem gesunden Auge zu lesen. Er hatte sie verletzt. Sie liebte Fia aufrichtig und innig. Manchmal jedoch sah ein | gütiges Herz nur, was es sehen wollte.
„Frag doch Rhiannon Russell, was sie über Wahrheit und Täuschung weiß“, stieß er aus, sich einen Arm über die Augen legend.
„Darf ich?“ Gunna schlurfte näher. „Was habt Ihr ihr angetan, Master Ash, dass es Euch so schmerzt?“
Warum sollte er sich die Mühe machen, alles abzuleugnen? Gunna würde anders lautende Beteuerungen einfach nicht beachten.
„Oh, ein paar ihrer Illusionen zerstört“, sagte er. „Du weißt schon, erst verführt, dann irgendwelche Räuberpistolen erfunden, dass ihr Verlobter versucht habe, sie umzubringen. Sie am Vortag ihrer Hochzeit entführt. Hierher verschleppt.“
Er zuckte mit den Schultern. „Etwas in der Art.“
„Master Ash!“
„Bin ich nicht eine strahlend helle Klinge, Gunna?“ fragte er mit ausdrucksloser Stimme. Er war nicht überrascht, als er sie aus dem Raum schlurfen hörte.
„Kommt, Kind. Euch bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu gehorchen. Carr hat einen Befehl geäußert, und Ihr tut gut daran, Euch ihm nicht zu widersetzen“, bemerkte Gunna.
„Ich will seine Gäste nicht kennen lernen“, begehrte Rhiannon auf und schüttelte den Kopf.
Es war gegen Mittag. Rhiannon hatte die Morgenstunden damit verbracht, durch die zur See hinausgehenden Schlafzimmer im dritten Stock zu wandern. Die meisten von ihnen waren unbenutzt, voller Spinnweben und die Möbel mit Laken abgedeckt.
Gunna hatte sie dort gefunden, in dem ältesten Teil der Burg, einem Wehrturm, der von Carrs Umbauarbeiten verschont geblieben war. Die Wände waren nackt, und den Fußboden zierten keine Teppiche, aber der gepolsterte Fenstersitz war weich und trocken, und das Sonnenlicht war wundervoll warm auf Rhiannons Haut.
„Ihr könnt Euch nicht für immer hier verstecken, Kind“, sagte Gunna sanft.
„Ich verstecke mich nicht“, widersprach ihr Rhiannon, obwohl sie genau wusste, dass die alte Frau Recht hatte. Sie ertrüge es nicht, Ash noch einmal wieder zu sehen. Nicht so, wie sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. „Warum sollte ich mich verstecken?“ fügte sie lahm hinzu.
„Es hat einigen Klatsch im Dienstbotenzimmer gegeben.“ „Wirklich? Und was sagt dieser Klatsch?“
„Das wollt Ihr nicht wissen.“ Gunna nahm ihre Hand und versuchte sie von ihrem Sitz zu ziehen. „Müßiges Geschwätz. Ich sollte es besser wissen, als meinen Mund aufzumachen und so etwas zu wiederholen. “
Rhiannon blieb sitzen. Draußen glitzerte das Sonnenlicht auf der See. „Ich würde es gerne wissen.“
Das eingesunkene, verzerrte Auge, das nicht unter dem Schal verborgen war, betrachtete sie vorsichtig. Rhiannon hatte das Gefühl, die alte Schottin versuche sich ein Urteil über sie zu bilden.
„Im Dienstbotenzimmer sagt man“, begann die alte Frau schließlich, „dass Master Ash Euch ruiniert hat und dass das der Grund dafür ist, warum Ihr nichts mit ihm zu tun haben wollt und Euch hier versteckt. Aus Angst vor ihm.“ Rhiannon wich zurück, sich aus Gunnas Griff befreiend. Sie wussten es alle. Sie alle wussten so viel und doch so wenig.
„Andere wiederum“, fuhr Gunna bedächtig fort, „sagen, dass Euch seinetwegen das Herz bricht. Ich will nicht anmaßend sein, Miss, aber ich weiß, dass das geschehen kann. Meine Schwester, Gott hab sie selig, liebte einen Mann, der ihr das Herz gebrochen hat. Er hat alles genommen, was sie ihm angeboten hat, dann hat er sie beiseite geschoben. Ist es das, was Master Ash Euch angetan hat?“
Rhiannon starrte sie an. Gunnas Schwester und sie selbst hatten Ähnliches erlebt, aber der Mann, der sie, Rhiannon, benutzt hatte, hatte sie nicht verlassen. Schlimmer, er hatte sie entführt. . . und ihr Herz gestohlen.
Erschreckt bemerkte sie, wie sehr sie es sich wünschte, sich Gunna anzuvertrauen. Sie vermisste Edith so sehr. Auch wenn sie Edith nie mit ihren Problemen beunruhigt hatte, so hatte ihre geliebte Pflegemutter sie einfach durch ihre Anwesenheit getröstet. Rhiannon
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